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Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange
Autoren: Sophie Oliver
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sich auf eine in der Wand eingelassene Couch fallen. Elfenbeinfarbene Polster wurden von einem dunkelbraunen Lackpodest getragen, das Rückenteil bestand aus zahlreichen weichen Kissen.
    Mit einer fahrigen Bewegung wischte er sich übers Gesicht. „Ganz gut. Die Familie hier hat herausgefunden, dass Victor und Ilaria sich zwar an der Küste aufhalten, aber weiter im Norden. Wir werden morgen früh ablegen und ihnen folgen. Es sind noch viele andere Zeitjäger hierher unterwegs. Hoffentlich ist es bald vorüber.“
    „ Du siehst müde aus.“
    Er lächelte, „Ich bin es einfach leid, Emmaline. Diese Jagd. Ich sehne den Tag herbei, an dem wir unsere Verpflichtungen erfüllt haben und wieder frei sind.“
    „ Mir geht es genauso.“
    „ Komm her.“, er setzte sich auf und breitete die Arme aus.
    Es war wie damals, in seinem Haus in Mayfair, als sie ihn vor dem Kamin gefunden hatte.
    Er hielt sie einfach nur fest, still, seinen Kopf an sie gepresst, als ob er ihren Herzschlag hören wollte.
    Vorsichtig strich sie mit beiden Händen durch sein Haar. Schließlich hob sie sein Gesicht zu sich empor und küsste ihn.
    „ Ich habe gehört, was du mit Adam gesprochen hast.“ Seine Stimme war so leise, dass sie sich nicht sicher war, ob sie wütend oder traurig klang.
    „ Wirklich? Es ist nicht nett, andere zu belauschen.“
    „ Es ist auch nicht nett, sich an die Frau seines Bruders heranzumachen“, nun war sie sich sicher, dass es Wut war und nicht Traurigkeit.
    „ Was würdest du tun, an seiner Stelle?“
    Nathaniel schob sie von sich. Dann lehnte er sich zurück und machte eine wegwerfende Handbewegung.
    „ Wahrscheinlich dasselbe. Ich habe auch gehört, was du zu ihm sagtest. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich liebe dich mehr als mein Leben, Emmaline. Wir haben so viel Zeit verloren, du und ich. Wenn das hier vorüber ist, will ich, dass wir die Familie verlassen und uns nur um uns beide kümmern. Wärst du damit einverstanden?“
    „ Natürlich.“
    Er stand auf und zog sie mit sich auf das Bett. „Ich habe keinen Augenblick an dir gezweifelt. Aber es hat mich dennoch mit Freude erfüllt, dich sagen zu hören, was ich dir bedeute. Und nun lass uns nicht mehr von Adam reden.“

73.

    Das kleine Küstendorf in Istrien, in dessen Gassen sich im Sommer Touristen drängten und wenige Monate im Jahr das Leben pulsierte, war im Winter eine Geisterstadt.
    Die Töchter und Söhne, die währen der Saison in den zahlreichen Restaurants ihrer Eltern arbeiteten, waren längst in die Städte zurückgekehrt. Zurück blieben nur die Alten. Einige wenige Handwerker, eine Handvoll Fischer.
    In den steilen Gassen der Altstadt lag das von Millionen Füßen glattpolierte Pflaster verlassen da. Nur ein paar Wäscheleinen spannten sich darüber.
    Im Februar hing die Wäsche mehrere Tage, denn in der klammen Seeluft trocknete sie nur langsam. Selbst in den Häusern wurde es nicht richtig warm. Was im Sommer mit seinem morbiden Charme die Touristen faszinierte, stellte im Winter eine Herausforderung für die Einheimischen dar.
    Victor stand unter dem venezianischen Torbogen, der den Eingang zur Altstadt markierte. Es war Nacht und ein rauer Wind pfiff um die Ecken. Versonnen sah er die enge Straße hinauf. Die hölzernen Tore und Fensterläden der heruntergekommenen alten Häuser waren allesamt geschlossen und bildeten eine abweisende Front zu beiden Seiten des Weges.
    Vor vielen hundert Jahren war Victor in einem dieser Häuser zur Welt gekommen, lange bevor die Venezianer ihren Löwen auf alle wichtigen Bauwerke gesetzt hatten. An den Felsen geschmiegt wie das Nest einer Möwe, mit Wänden so dick, dass man auf den Fenstersimsen sitzen konnte, wie auf einem Stuhl. Wenn er sich als kleiner Junge in die Fensternische gelegt hatte, wie in eine Hängematte, hatte er unter sich das tiefblaue Meer gesehen, darin kleine Inseln, wie zufällig verstreut und über allem die herrliche brennende Sonne des Südens.
    Die salzige Luft war erfüllt vom Zirpen der Grillen, vom Duft der Zypressen und vom Schreien der Möwen, die die Fischerboote begleiteten. Victor dachte, damals wie heute, es gäbe keinen schöneren Platz auf der Welt.
    Sogar in den kalten Monaten, wenn seine Mutter das gesammelte Holz aus den Pinienwäldern verheizte, um die feuchte Luft aus den Zimmern zu vertreiben und die Fenster mit Tierhäuten verhängt waren, fand er es perfekt.
    Vater hatte während dieser Zeit neue Netze geknüpft und beim Schein eines kleinen
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