Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mal der Schlange

Das Mal der Schlange

Titel: Das Mal der Schlange
Autoren: Sophie Oliver
Vom Netzwerk:
Prolog

    2003
    Istrien
    Kroatien

    Das Messer durchstieß kühl und glatt die Haut, glitt an einem Rippenbogen ab und bohrte sich dann tief in die Lunge.
    Schon oft hatte sie sich gefragt, wie sich eine Stahlklinge anfühlen würde, im eigenen Fleisch. Ob sie wohl schmerzte, oder ob sie barmherzig den Tod brachte? Einmal hatte sie sogar versucht sich selbst zu schneiden, nur um zu sehen, wie es war. Aber dann hatte sie es doch nicht geschafft das harte Metall in ihrem weichen Arm zu versenken.
    Nun wusste sie es. Beinahe überrascht schnappte sie nach Luft. Der Schmerz war unerträglich.
    Plötzlich wurde ihr heiß und das Messer wirkte nicht mehr wie etwas Festes, Solides, sondern eher wie eine Flamme, oder ein Stromstoß. Der wuchtige Aufprall mit dem der Angreifer den Schaft der Klinge in ihre Haut gerammt hatte, nahm ihr den Atem. Sie sank auf die Knie und er mit ihr.
    „ Es ist vorbei“, flüsterte er ihr beinahe sanft ins Ohr, „Es ist zu Ende und du weißt es. Stirb mit Würde.“
    Bereits jetzt, als der Stahl noch in der Wunde steckte, fiel es ihr schwerer und schwerer zu atmen. Sobald er die Waffe herauszog, würde sie noch weniger Luft bekommen. Der Stich in der Lunge war nicht ihre einzige Verletzung, sie blutete bereits aus vielen Wunden, wie auch ihr Gegenüber, aber dieser erneute Blutverlust, zusammen mit ihrer Atemnot, machte sie müde und schwach.
    Es war also tatsächlich vorbei und sie würde sterben. Wieso nicht?
    Mit einer Hand wischte sie eine blutige Haarsträhne weg, die ihr ins Auge gefallen war und sah sich ein letztes Mal um. Die vom Mittelmeer rund gewaschenen Kieselsteine des schmalen einsamen Strandes drückten in ihre Knie, der Vollmond ließ das still daliegende Wasser der Bucht glänzen wie einen silbernen Spiegel und in der Ferne sah sie die Lichter des kleinen Fischerdorfes, die sich aneinander schmiegten und wie aufgereihte Lampions bis weit in die See hinaus schwammen.
    Es war ein wunderschöner Ort.
    Ihr Gegner hielt sie noch immer in tödlicher Umarmung, auf ihre Antwort wartend.
    Sie hatte gewusst, dass er ihr ebenbürtig war, geahnt, dass er ihr vielleicht sogar überlegen sein könnte und es war von Anfang an klar gewesen, dass nur einer von ihnen diesen Kampf überleben würde.
    Langsam nickte sie in stummer Zustimmung und mit einem Ruck zog er das Messer aus ihrer Seite.
    Heißer Schmerz verbrannte sie, aus ihrem Mund sprudelte schaumiges Blut und sie schnappte rasselnd nach Luft. Mit der rechten Hand tastete sie nach oben um zu fühlen, wie schnell sie ausblutete. Sie nickte ein weiteres Mal, zu sich selbst, es würde nicht mehr lange dauern.
    Mit letzter Kraft richtete sie sich auf den Knien auf und verbeugte sich, ihm die linke Handfläche mit einer eleganten Bewegung zuwendend, so dass im klaren Licht des Mondes das Zeichen auf der Innenseite ihres Handgelenks zu sehen war. Ihr Gegenüber verbeugte sich auf die gleiche Art und Weise, um ihr Respekt zu erweisen, auch auf seinem Handgelenk befand sich das Zeichen.
    Dann stand er auf, trat hinter sie und sie spürte, wie er die kalte Stahlklinge des Messers an der linken Seite ihres Halses ansetzte.
    Sie wusste, er würde nicht nur ihre Kehle durchschneiden, sondern ihren gesamten Kopf abtrennen.

„ Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer; aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.“
    Die Bibel

1.

    1961
    Las Vegas
    USA

    Unter der stechenden Wüstensonne erschien das ausgehobene Grab kühl, schattig und einladend.
    Die mit Kunstrasen abgedeckten Ränder, unter denen sich der Erdaushub wölbte, wirkten wie saftige Hügel, grün leuchtend gegen die rostfarbene Erde und den azurblauen Himmel. Es war windstill.
    Der kleine Friedhof lag wie ein Trugbild in der trockenen staubigen Landschaft am Rande der Stadt. Mit großem technischen Aufwand hatte man der Wüste noch ein weiteres Stück Land abgerungen, welches nun vollkommen abhängig war von den fleißigen Händen der Gärtner, den Bewässerungssystemen und den Geldern der Steuerzahler, um ein amerikanischer Garten Eden zu bleiben.
    Nur wenige Menschen waren zum Begräbnis gekommen.
    Ursache dafür war sicherlich die unbarmherzige Hitze, denn es war der heißeste Tag des Jahres. Ein anderer Grund mag das hohe Alter der Toten gewesen sein und die Tatsache, dass sie keinerlei Familie mehr hatte. Eltern, Mann und Geschwister waren bereits vor Jahren verstorben, die Ehe war kinderlos geblieben und Louise hatte nicht lange in der Stadt gelebt. Als sie nun
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher