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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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Apfelschimmel. Jedes Mal, wenn Sabina ihn so sah, erfüllte sie Stolz auf ihren fast gleichaltrigen Bruder und tiefe Zuneigung. Wie rasch war doch aus dem ungestümen Knaben ein Mann geworden, ein sehr kluger und besonnener obendrein.
    Sabina selbst reiste mit ihrer Mutter, der Hofmeisterin und ihrer alten Kinderfrau in einer gefederten rotgoldenen Prunkkarosse, die von sechs Goldfüchsen gezogen wurde und sich dicht beim Herzog hielt. Hinter ihnen folgte, über eine halbe Meile mindestens, der herzogliche Tross aus Hof- und Ehrendamen, Kavalieren und Knechten, Dienern, Pagen und Gerüsteten. Die Damen reisten in Kutschen, die Herren hoch zu Ross, das Gesinde auf seinen rumpelnden Kastenwägen oder zu Fuß. Mit dabei waren auch gut fünf Dutzend Streitrösser in Rüstung, mit seidiger Mähne, die bis zum Boden reichte. Die hatte ihnen Ulrich nach Heidelberg geschickt.
    Den vierten Tag nun waren sie unterwegs, vier Tage immer dicht am Neckarstrom. Ihr Weg führte sie durch eine bezaubernde Landschaft, aber Sabina hatte kein Auge dafür und konnte auch sonst diese Reise keinen Deut genießen – sie, die sonst nichts mehr liebte, als neue Orte kennenzulernen. Zu sehr nagte in ihr der Abschiedskummer, seitdem sie ihre geliebte ältere Schwester ein letztes Mal vor dem Heidelberger Schloss umarmt hatte, um sie dort in der Fremde zurückzulassen. Da Sibille von einem leichten Katarrh ergriffen war, hatte sie die Hochzeitseinladung nach Stuttgart schweren Herzens ausschlagen müssen.
    Das nächste Mal, wenn ihre Familie weiterzog, würde sie selbst zurückbleiben, allein, ohne Freunde und Familie, beidiesem blasierten Herzog von Wirtemberg, mit dem sie fortan ihr Leben teilen sollte. Doch sie hatte sich geschworen, keine Regung zu zeigen, keine Träne zu vergießen. Sie hatte auch ihren Stolz!
    Als sich das Waldstück oberhalb des Neckars lichtete und in eine freundliche Hügellandschaft aus Wiesen und Weingärten überging, tauchte zu ihren Füßen im milden Licht der Frühjahrssonne Stuttgart auf. Weit streckte Sabina den Kopf aus dem Fenster der Kutsche: Wie klein und unbedeutend die Stadt wirkte, viel kleiner als München, kleiner selbst als die Reichsstadt Ulm. Es war nicht zu fassen!
    Wilhelm ließ anhalten, als ein Zug mit bestimmt tausend Reitern sich ihnen näherte. Der Wirtemberger kommt, der Wirtemberger kommt, hörte man die Menschen rundum aufgeregt rufen. Oben auf der Höhe des Pragsattels begegneten sich die Züge. Musik grüßte von beiden Seiten, die Menge begann zu jubeln – da entdeckte Sabina ihren Bräutigam: Er löste sich aus einer Traube von Reitern, sprengte auf seinem Ross in waghalsigem Galopp nach vorne, ihrer Karosse entgegen. Als er neben den Kutschpferden zum Stehen kam, öffnete Sabina den Schlag und starrte ihn ungläubig an: Der junge Herzog lachte nämlich über das ganze Gesicht.
    Ein Diener half ihr herunter – ihre Beine zitterten vom langen, unbequemen Sitzen   –, während Ulrich vom Pferd sprang und ihr entgegenlief, mit ausgebreiteten Armen. Sie wusste nicht was tun, blieb einfach stehen und wartete. Schloss die Augen und spürte, wie sich kräftige Männerarme um ihre Schultern legten, hörte, wie die Menge in Freudenrufe ausbrach. Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie vor sich Ulrich, einen ganz anderen Ulrich als in ihrer Erinnerung, einen, auf dessen Miene sich eine Mischung aus kindlicher Freude und männlichem Stolz ausgebreitet hatte. Dann gaben sie sich,wie es das Volk erwartete, einen Kuss, unter ohrenbetäubendem Jubelgebrüll.
    Auf dem Weg hinunter zur Stadt säumten immer noch mehr Menschen den Weg, unter ihnen Musikanten, Kunstreiter und Jongleure, die der künftigen Herzogin zu Ehren ihre Künste darbrachten. Alles war in Bewegung, ein ungeheurer Lärm erfüllte die Luft, und Sabina streckte den Kopf in den Wind, um tief durchzuatmen. Auch sie saß nun hoch zu Ross, damit die Landeskinder sie betrachten konnten, auf einem Paradepferd mit schwarz-roter Schabracke und schwarzen und roten Federbüschen – den Farben des Hauses Wirtemberg. Ulrich blieb dicht an ihrer Seite, grüßte voller Stolz nach rechts und links, dabei immer umgeben von einer Handvoll Edelknaben, deren blendend weiße Damastgewänder sich im Wind bauschten.
    Nach einem letzten Steilstück durch die Weinberge hinab erreichten sie zwei dunkle, nach Moder und totem Fisch stinkende Weiher, die offenbar als Pferdeschwemmen dienten und die Ulrich tatsächlich als Seen bezeichnete! Zwischen ihnen
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