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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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das Konterfei bestimmt sei, hatte der alte Maler die Schultern gezuckt. Für irgendeinen Fürstenhof eben. Sie sei in dem Alter, wo man sie im Reich bekanntmachen müsse. Danach hatte er noch zwei weitere Miniaturen gefertigt.
    Das Kaminfeuer knackte laut, und plötzlich begann sie hemmungslos zu schluchzen. Ihre Schwester Sibille stupste sie in die Seite.
    «Stell dich nicht so an. Heiraten müssen wir alle, und dieser Ulrich ist doch ein schneidiger Bursche. Ich weiß gar nicht, was du hast.»
    «Jetzt komm einmal her zu mir.» Ihr königlicher Oheim beugte sich aus seinem Lehnstuhl und winkte sie heran. Zärtlich wischte er dem kleinen Mädchen die Tränen aus dem Gesicht.
    «Du hast doch mit deinen bald sieben Jahren schon einen wachen Verstand. Gib acht: Wie du weißt, gehört es zu den Pflichten der Fürsten, zu herrschen und zu regieren, nach bestem Wissen und Gewissen, die salus publica fest im Auge.»
    Sabina schluckte. Sie verstand kein Wort.
    «Euch fürstlichen Frauenzimmern nun gebührt die ehrenvolle Aufgabe, die Männer dabei mit Diplomatie und Herzensgüte zu unterstützen. Und auch», er zwinkerte ihr zu, «ihnen hie und da den rechten Weg zu weisen. Ich habe den jungen Herzog Ulrich unter meine Fittiche genommen, weil ich ihn schätze und noch einiges vorhabe mit ihm, denn er ist gescheit und mit vielerlei Begabungen gesegnet, dabei mutig und stolz. Zu deinem Besten haben wir ihn dir zugedacht.» Versonnen strich er sich über seine lange Nase. «Und natürlich um der Mehrung willen von Freundschaft und Einigkeit zwischen den beiden Fürstentümern Baiern und Wirtemberg. Schließlich», er lächelte, «obliegt mir als künftiger Kaiser der Friede in diesem großen Reich, und dazu müssen Wir die Fäden fest in der Hand halten.»

1
    Sabina glitt vom Pferd. Nicht nur von der eisigen Winterluft waren ihre Wangen gerötet. Sie hatte tatsächlich das Wettrennen, drüben in den verschneiten Isarauen, gewonnen – gegen ihre Brüder Wilhelm und Ludwig, die beide als hervorragende Reiter galten. Zufrieden klopfte sie den Hals des Rappen, dann überließ sie das Tier dem Stallknecht.
    «Und wo bleibt der versprochene silberne Armreif?» Sie lächelte triumphierend in die Runde.
    «Ich fürchte, lieber Wilhelm», Ludwig ließ sich vom Pferd helfen und schüttelte sich den Schnee aus dem Haar, «vor unserer Schwester dürfen wir das Maul nicht mehr so groß aufreißen. Diese Wette haben wir schmachvoll verloren.»
    Er war mit seinen dreizehn Jahren ein aufgeweckter, vergnügter Bursche, allerdings recht faul und bequem bei allem, was nichts mit Reiten oder Weidwerk zu tun hatte. Der Vater hatte ihn einst zum Geistlichen bestimmt und damit einen jahrelangen Kampf heraufbeschworen, schließlich stand Ludwig der Sinn nach allem andern, nur nicht nach Entsagung und Gebet. Jetzt bückte er sich nach einer Handvoll Schnee und warf den Ballen seinem älteren Bruder an den Kopf.
    «Du Tollhäusler!» Wilhelm griff sich an die Schläfe. «Soll ich dir eine Tracht Prügel anschmieren? Oder hast du vergessen, wer hier der Herzog ist?»
    Sabina unterdrückte ein Lachen. Wilhelm Herzog von Baiern! Da musste noch ein gehöriges Quantum an männlicher Reife hinzukommen, wollte man ihm die Herrscherwürde abnehmen. Aber im Grunde war Wilhelm ein braverKerl, und schließlich blieben ihm ja noch drei Jahre bis zur Volljährigkeit und damit zu seinem Regierungsantritt.
    Sie sah den Pferden und Knechten nach, deren Tritte auf dem weichen weißen Teppich kaum zu hören waren. Die ganze Nacht hindurch hatte es geschneit, und nun spannte sich ein leuchtend blauer Himmel über München. Wie sie solche klaren Wintertage liebte!
    Unschlüssig blieben ihre Brüder auf dem Platz zwischen Marstall und der Neuveste stehen, dem modernen, prunkvollen Stadtschloss mit allen Errungenschaften der neuen Zeit, wo sie nach Herzog Albrechts Tod ihren Wohnsitz genommen hatten. Nach Wilhelms Willen sollte der Alte Hof nunmehr als Wohnburg für Verwandte und Gäste dienen. Und Gäste würden sie in den nächsten Tagen zuhauf bekommen. Wahrscheinlich waren an diesem Morgen Canzler und Hofmeister rechtschaffen in Harnisch geraten, als ihnen zu Ohren kam, dass der Thronfolger wenige Tage vor dem großen Leichenbegängnis seines Vaters mit den Geschwistern in die Isarauen entflohen war. Sabina verstand ohnehin nicht, wie die Regimentsräte, die für den minderjährigen Herzog die Regierungsgeschäfte führten, die offizielle Trauerfeier so lange hatten
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