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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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Primeln, in die bunte Schleifen geflochten waren.
    Vom Obertor bis zum Marktplatz waren rechts und links der Gasse die prächtigen hohen Fassaden der Bürgerhäuser mit schwarz-roten Bändern und Fähnchen behängt, auf jedem Stockwerk hatte man Girlanden aufgezogen, aus jedem geöffneten Fenster zwängten und drängten sich die Köpfe der Zuschauer. Das Unglaublichste indessen: Die Mitte der Gasse war mit roten und schwarzen Teppichen bedeckt! Selbst ohne die waffenstarrenden Männer der Scharwache, die alle paar Schritte postiert waren, hätte keiner gewagt, diesen makellosen, kostbaren Pfad zu betreten.
    Auch Irmel hielt einen Gruß in der Hand, den sie allen Ernstes der Prinzessin von Baiern in die Hand zu drücken gedachte: einen kleinen Strauß mit Himmelschlüsseln vom Wegesrand. So viel Mut hatte Marie der Base gar nicht zugetraut.
    «O mein Gott – da kommen sie!»
    Fanfarengeschmetter ertönte vom Torturm, dann schob sich zwischen zwei Standartenträgern eine mächtige Heerpauke aus dem Schatten des Torbogens. Ihr dröhnender Bass ließ die Menge ehrfurchtsvoll verstummen. Gleich dahinter folgten die Brautleute auf ihren tänzelnden, reichgeschmückten Rössern.
    Sie kamen nur im Schneckengang voran, da alle naselang jemand ein Geschenk überreichte oder ein Kind ein kleines Gedicht vortrug. Der Herzog warf derweil Münzen unters Volk, die er aus einem Beutel am Sattelknauf zog.
    «Sieh nur – die Prinzessin ist ja fast größer als der Herzog», flüsterte Marie und zerrte sich und der Base den schmuddligen Umhang von den Schultern. Zum Glück waren wenigstens ihre dunkelgrünen Sonntagskleider halbwegs ordentlich, und unterwegs hatte sie sich sogar gründlich an einem Bach gewaschen und gekämmt und sich blaue Bänder ins Haar geflochten.
    Irmel starrte mit offenem Mund. «Wie schön sie ist. Allein dieses Kleid! Eine Robe ganz aus Goldbrokat, mit Seidenschleppe, die das halbe Pferd bedeckt! Hat man so was schon gesehen?»
    Marie indessen hatte vor allem Augen für Herzog Ulrich. Sie war hin- und hergerissen zwischen Bewunderung und Widerwillen: Fast weibisch hatte er sich herausgeputzt in seinem roten Festgewand, das von Gold und Edelsteinen prunkte, mit dem wallenden Federbusch über dem breitkrempigen Hut, dem blitzenden Degen und den Halbstiefeln aus Silberstoff mit goldenen Sporen. Doch dann dieser durchdringende Blick unter den rotblonden Locken, dieses selbstbewusste, siegesgewisse Lächeln in dem jungen und bartlosen Gesicht – es war ein Zauber, der von Herzog Ulrich ausging, wie Marie ihn in ihren jungen Jahren noch nie gespürt hatte. Ein Schauer fuhr ihr über den Rücken.
    Im nächsten Augenblick blieb ihr fast das Herz stehen. Der Fürst zügelte sein Pferd vor ihren Füßen und blickte ihr fest in die Augen.
    «Wie heißt du, mein Kind?»
    Sie schluckte. «Marie, mein gnädiger Fürst und Herr.»
    Rasch gab sie ihrer Base einen Stoß in die Seite. Das war die Gelegenheit. Irmel stolperte ein paar Schritte nach vorne und hielt dem Fräulein von Baiern ihren Veilchenstrauß entgegen, stumm und mit hochrotem Kopf, der noch röteranlief, als der Blick der Prinzessin einen Moment zu lange auf ihrem schiefen Mund verharrte.
    Marie nahm allen Mut zusammen. «Euer Fürstlich Gnaden zum Willkomm», stotterte sie an Irmels Stelle, und Irmel nickte dazu.
    Als Antwort lächelte die junge Braut. Ein trauriges Lächeln. Marie fragte sich, ob dies an Irmels Hasenscharte lag. Herzog Ulrich griff in den Beutel und warf ihr eine Kupfermünze zu.
    «Was hast du nur für schönes Haar, mein Kind», rief er. «Wie reines Gold.»
    Jetzt war es Maries Gesicht, das entflammte. Sie bedankte sich mit einem Knicks und trat rasch zurück in den Schutz der Menschenmenge, mit gesenktem Kopf und in fast schmerzhafter Verlegenheit. Da sah sie zwischen den Pflastersteinen etwas glitzern. Sie bückte sich und klaubte eine silberne Gewandnadel mit drei winzigen, leuchtend weißen Perlen aus den Ritzen. Die hatte die Herzogin eben noch an ihrer Robe getragen!
    «Euer Fürstlich Gnaden! Ihr habt   –» Sie wollte der Herzogin nach, aber sofort trat ihr einer der Büttel in den Weg und schlug nach ihr, wie man eine lästige Fliege verjagt. «Fort mit dir, aus dem Weg. Lass unsere Herzogin in Frieden.»
    Sie warf einen kurzen Blick auf ihre Base, dann ließ sie das Schmuckstück unbemerkt in ihrer Rocktasche verschwinden. Am besten verriet sie Irmel nichts von der Nadel. Vielleicht fand sich ja eine andere Gelegenheit, der
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