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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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Herzogin das Schmuckstück zurückzugeben.
    Noch ganz im Banne dessen, was eben geschehen war, ließ sie sich von Irmel beim Arm nehmen und hinter den Massen herzerren.
    «Hast du gehört, was der Herzog mir gesagt hat?», fragte sie atemlos.
    «Bild dir bloß nix ein. Der Herzog ist bekannt als rechter Weiberheld. So was sagt der zu jeder.»
    Es ging in Richtung Kirche, nicht ohne dass der Zug immer wieder ins Stocken geriet, zuletzt auf dem Marktplatz. Eine Handvoll Knaben führte dort halsbrecherische Ritterspiele auf. Unter einsetzendem Glockengeläut schließlich erreichten die Brautleute das Portal der Stiftskirche, wo am Ende des Spaliers aus Prälaten und Geistlichen der Bischof höchstselbst, mit Mitra und Stab, auf sie wartete.
    Von den Scharwächtern wurden die Zuschauer zu einem weitläufigen Rund zurückgedrängt. «Macht Platz! Platz da!», brüllten sie, trennten die Spreu vom Weizen, denn nur die geladenen edlen Gäste durften dicht beim herzoglichen Gefolge stehen oder gar auf der Ehrentribüne sitzen. Doch erneut hatten Irmel und Marie Glück: Recht nahe der Kirchenmauer kamen sie zum Stehen, und wenn sie den Hals reckten, vermochten sie sogar einen Blick auf die Braut zu werfen, die unter der Obhut ihres Brautführers inzwischen vom Pferd gestiegen war.
    Der Bischof, ein hagerer, langer Mensch mit dem Profil eines Raubvogels, stellte sich auf die oberste Treppenstufe und erhob seine Stimme, predigte erst auf Latein, dann auf Oberdeutsch, dann wieder auf Latein, bis die Zuhörer zu husten, scharren und schwatzen begannen. Da winkte er die Brautleute heran und fragte, ob sie einander zur Ehe nehmen wollten. Auf ihr Jawort hin erbebte die ganze Stadt vor Jubel, der erst verebbte, als der Bischof den Herzog um den Brautring bat.
    «Wie dieser Ring so rund und von reinem Golde», er steckte ihn der Braut an den Finger, und seine durchdringende Stimme nahm einen fast drohenden Tonfall an, während aus der Menge die ersten Schluchzer zu hören waren, «so soll endlos und rein Eure Liebe bleiben.»
    Damit vereinigte er ihre Hände und sprach den Segen über sie. Aus dem Innern der Kirche hub der Chor an zu singen, und unter einem feierlichen «Te Deum laudamus» zog das Paar in das Gotteshaus ein, das Gefolge und die Gästeschar hinterdrein, bis hinter dem Letzten das Kirchenportal krachend ins Schloss fiel. Hier hatte der gemeine Mann keinen Zutritt.
    «Was machen wir jetzt?», fragte Marie.
    Irmel wischte sich die Tränen aus den Augen.
    «Ich weiß schon, was. Dort drüben, am Eingang zum Burgschloss, soll es Wein für jedermann geben. Also los, bevor alle dahin rennen.»
    «Wein für jedermann? Das glaub ich nicht. Außerdem – sollten wir uns nicht besser auf den Weg machen? Damit wir vor der Nacht zu Hause sind?»
    «Machst du Witze? Es ist längst später Nachmittag. Wir müssen die Nacht in Stuttgart verbringen.»
    Mit einem Schlag verlor ihr abenteuerlicher Ausflug allen Zauber. Marie schüttelte heftig den Kopf. «Nein! Ich will nicht in dieser fremden Stadt über Nacht bleiben.»
    «Du Dummkopf! Das hättest du dir früher überlegen müssen. Außerdem hab ich gehört, dass für diese eine Nacht alle Wirte kostenlos Quartier geben. Also komm, wir werden schon ein Dach überm Kopf finden.»
     
    Nachdem Geschützdonner die erfolgreiche Vermählung der beiden fürstlichen Ehegefährten verkündet hatte, erfasste das Volk ein wahrer Freudentaumel, und alles stürzte sich in die Festlichkeiten. Für jeden war gesorgt. In einem Akt schier unglaublicher Großzügigkeit hatte der junge Fürst vierzehn Garküchen überall in der Stadt aufstellen lassen, in denen sich der gemeine Mann um Gotteslohn den Napf füllen lassenkonnte, mit dickem Getreidemus oder gar mit Erbsensuppe samt Speck. Und wer seine Ellbogen ausreichend einsetzte, vermochte sich am Burgtor auch die Kehle zu erquicken: Aus einem achtröhrigen Brunnen floss weißer und roter Wein in Strömen. Dazu gab es überall Reiterspiele und Pferderennen, Glücksräder und Krambuden. Ganz Stuttgart war ein einziger Jahrmarkt. Alle tanzten und spielten, sangen und musizierten, fraßen und soffen – ungeachtet der frühen Dämmerung und der Märzenkälte.
    Sabina konnte sich der Bewunderung ob der herzoglichen Freigebigkeit gegenüber den Untertanen nicht erwehren, als sie das ausgelassene Treiben rundum betrachtete. Viel größeren Anteil nahm das Volk hier an der fürstlichen Hochzeit, als sie es etwa in Heidelberg erlebt hatte. Das kurze Stück
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