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Das Mädchen und die Herzogin

Das Mädchen und die Herzogin

Titel: Das Mädchen und die Herzogin
Autoren: Astrid Fritz
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ihren Holzlöffeln in den Fäusten. Im nächsten Moment ging die Tür auf, und – dem Himmel sei Dank – mit einem Schwall feuchter Abendluft trat Irmel ein. Einen Atemzug später, und sie hätte hungrig zu Bett gehen müssen.
    «Na endlich.»
    Sie falteten die Hände, murmelten ihr Gebet.
    «Amen.»
    Utz schöpfte erst sich, dann seiner Frau den Napf voll.
    «Was für ein Scheißwetter.» Er reichte den Schöpfer an Nele, die die Suppe dem Alter nach verteilte. «Wie heißt es doch: Ist es zu Lichtmess grün und mild, die Heuernte ins Wasser fällt.»
    «Solange es nur die Heuernte ist.» Berthe redete und schlürfte gleichzeitig. «Drei Jahre in Folge war die Ernte miserabel. Wenn das so weitergeht, werden wir der Reihe nach verhungern. Aber vorher setze ich diese beiden Bälger hier eigenhändig vor die Tür.»
    Sie warf Marie und Nele einen giftigen Blick zu.
    «Still, Weib! Das sind die Kinder meiner Base, Gott hab sie selig, und beide arbeiten hart für ihr Brot. Oder hast du vergessen, dass du ohne Neles Hilfe gar nicht den ganzen Tag rüber in den Lichtkarz könntest? Also halt dein lästerliches Maul.»
    «Hör mir bloß auf mit dem Lichtkarz. Unser Zubrot mit Weben und Spinnen hat ab heute auch ein Ende – was sollen wir nur machen?» Berthes Stimme wurde weinerlich. «DasGeld wird uns fehlen, stattdessen sollen wir Tag für Tag Brennholz aus dem Wald schleppen, und das neuerdings auch noch ohne Zehrung, wie ich von der alten Wonnhardt gehört hab. Als ob wir nicht genug Frondienste übers Jahr hätten. Und Brennholz könnten wir selbst am nötigsten brauchen.»
    «Lass das Jammern. Wir müssen froh sein, dass wir bis zum Gertrudistag mit der Fron fertig sind und sollten dafür unserem Herzog dankbar sein. Er hat die Hochzeit nur um uns Bauersleut willen auf die Zeit vor Beginn der Feldarbeit festgelegt. Das sagt jedenfalls unser Schultes.»
    «Dass ich nicht lache.»
    «Wie dem auch sei – wir werden zur rechten Zeit mit Pflügen und Säen dran sein.»
    Er stand auf und streckte sich. «Gehen wir schlafen.»
    Die beiden Schechtelin-Buben grinsten sich an, und auch Marie wusste, was nun folgen würde: Wie jedes Mal auf die Nacht zum heiligen Sonntag würde Utz sich draußen am Trog waschen, das einzige Mal in der Woche gründlich, mit Bimsstein und viel Wasser, würde sich das widerspenstige Haar durchkämmen und dann mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen in seiner Schlafecke verschwinden, hinter dem zugezogenen speckigen Vorhang. Ein wenig schneller als er brachte in der Regel Berthe ihre Waschungen zu Ende. War auch sie schließlich hinter dem Vorhang verschwunden, dauerte es kein Paternoster lang, bis jenes leise klatschende Geräusch einsetzte, das bald schneller und schneller wurde, begleitet von einem keuchenden «Ho, ho, ho» des Hausvaters, das schließlich in ein tiefes, langgezogenes «Haaaah!» überging. Dann war es still.
    Marie konnte sich annähernd denken, was da hinter dem Vorhang geschah. Sie kannte das von den Ziegen im Dorf und von Mutz, dem Köter des Dorfschulten, der den ganzen Tagnichts andres tat. Sie fragte sich nur, warum man nie etwas von ihrer Muhme hörte.
    Als auch an diesem Samstagabend endlich nur noch das zufriedene Schnarchen ihres Oheims durch die Stille der Nacht tönte, flüsterte Irmel neben ihr:
    «Würdest du mitkommen?»
    «Wohin?»
    «Zur Hochzeit nach Stuttgart.»
    «Bist du närrisch?»
    «Psst, nicht so laut. Wir könnten noch vor Morgengrauen los, dann wären wir zu Mittag in der Residenz.»
    «Deine Mutter schlägt uns tot.»
    «Ach was. Sie braucht uns noch. Also, was ist?»
    «Weiß nicht. Mal sehen.»

3
    Ein schier endloses Band von Reitern und Kutschen näherte sich von Norden her der Residenzstadt Stuttgart. Es war ein frischer Sonntagmorgen, der zweite Märztag, und die Eskorte der bairischen Fürstenfamilie kam geradewegs von der Heidelberger Hochzeit. Im Schloss zu Markgröningen hatten sie genächtigt, dort waren auch der weitberühmte Katzbalger und Haudegen Georg Truchsess von Waldburg zu ihnen gestoßen, ebenso der Bischof von Konstanz, der sie trauen sollte.
    Vorweg, der Morgensonne entgegen, ritt der junge Wilhelm Herzog von Baiern, flankiert von Leibwache, Fahnenträgern und den beiden jüngeren Brüdern. Immer deutlicher glich er seinen Vätern und Vorvätern. Die melancholischendunklen Augen, die braunen Haare und markanten Gesichtszüge verrieten eindeutig das Geschlecht der Wittelsbacher. Aufrecht saß er auf seinem gerüsteten
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