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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
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…?«
    Jetzt war ich es, die Probleme hatte zu sprechen. Delia nickte nur. Ich bekam weiche Knie.
    »Bei Castor und Pollux«, ich suchte nach Worten. »Das war wirklich …?«
    Delia holte tief Luft: »Der Princeps«, sagte sie, »der Erha-bene, der ehrenwerteste aller Senatoren, der Sohn des Vergöttlichten, der Imperator Caesar Augustus.«
    »Der Kaiser«, hauchte ich und musste mich setzen. »Aber wieso hast du denn nichts gesagt? Ich habe ihn doch noch nie gesehen. Ich hätte mich doch … Und überhaupt – was wollte der hier?«
    »Was hätte ich denn sagen sollen?«, fragte Delia. »Etwa: Verehrter Herr, das ist meine Freundin Lycoris, Tochter des Papyrushändlers Theron aus Misenum. Und das, liebe Lycoris, ist Caesar Augustus, der mächtigste Mann der Welt?«
    Ich sah ein, dass sie recht hatte.
    »Aber was wollte er hier? Und was sollen diese Ringe?«
    Meiner war unter den Tisch gerollt. Ich bückte mich und hob ihn auf. »Er ist wunderschön«, sagte ich und betrachtete ihn genauer. Es war ein goldener Ring, den ein roter Edelstein zierte. Und in diesen Edelstein war eine klitzekleine Figur eingearbeitet: Apollon, der auf einer Lyra spielte. Delia hatte den gleichen Ring bekommen.
    »Der Schutzgott des Kaisers«, murmelte sie, als sie den winzigen Apollon erkannte. Als wir noch damit beschäftigt 147

    waren, unsere Ringe zu vergleichen, kam Ovid zurück in die Bibliothek.
    »Papa!«, rief Delia, kaum hatte er den Fuß über die Schwelle gesetzt. »Was wollte Augustus hier? Wieso hast du uns nicht …?«
    Ovid hob die Hand und schnitt Delia das Wort ab.
    »Es ist schon wieder Besuch gekommen«, sagte er mit ernstem Gesicht. Täuschte ich mich oder zuckte ein feines Lächeln um seine Lippen?
    »Aber wir müssen doch sofort aufbrechen«, protestierte Delia. »Sonst ist es für Myron zu spät.«
    Ovid schüttelte den Kopf. »Nein, dafür ist es schon zu spät.«
    »WAS?«, rief Delia verzweifelt. »Was meinst du damit?
    Willst du damit sagen, dass …?«
    »Ich will damit sagen, dass ihr unseren Besuch empfangen solltet. Er wartet im Atrium. Wenn ihr dann immer noch aufbrechen wollt, können wir das gerne tun.«
    Jetzt konnte Ovid sein Lächeln nicht mehr unterdrücken.
    Delias Blick sauste zwischen ihm und mir hin und her.
    »Eigentlich kann das ja nur eines bedeuten«, sagte ich, und im nächsten Moment schoss Delia an ihrem Vater vorbei durch die Tür. Ich folgte ihr.
    Unten im Atrium stand, auf seinen Gehstock gestützt, Senator Corvinus. Diesmal trug er eine elegante Senatoren-toga aus weißer Wolle. Er lächelte Delia an, die aufgewühlt vor ihm stand.
    »Und?«, fragte Delia. »Hast du etwas erreicht? Hat der Praetor dir geglaubt? Oder ist es schon zu spät?«
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    Der Senator räusperte sich.
    »Nun, meine Kinder, wie soll ich sagen? Für den einen oder anderen könnte es in der Tat zu spät sein.«
    »Was meinst du damit?«, fragte Delia. »Ist Myron etwa schon …?«
    Inzwischen hatte sich auch Ovid zu uns gesellt. Senator Corvinus räusperte sich erneut. Reichlich umständlich, wie ich fand.
    »Tot?«, fragte er und wiegte seinen Schildkrötenkopf.
    »Myron? Nein, das ist er nicht. Jedenfalls noch nicht.«
    »Das heißt, sie foltern ihn gerade?«
    »Foltern? Ja, in gewisser Weise ist das wohl eine Art Folter, da muss ich dir recht geben.«
    Delia stiegen Tränen in die Augen. Vielleicht konnte sie deswegen Corvinus’ Grinsen nicht sehen.
    »Er hat die ganze Nacht kein Auge zugetan«, fuhr der Senator fort. »Und dann diese Aufregung am frühen Morgen. Und jetzt muss er sich draußen vor der Tür die Beine in den Bauch stehen, während wir uns hier unterhalten. Grau-envoll!«
    »Draußen vor der Tür?«, wiederholte Delia. »Was willst du damit sagen? Doch nicht etwa vor dieser Tür?«
    Sie zeigte auf die Haustür wenige Schritte vor uns. Der Senator nickte verschmitzt und klopfte dann dreimal mit dem Gehstock auf das Mosaik, das den Fußboden des Atriums schmückte. Einen Atemzug später wurde die Tür geöffnet und Myron trat ein. Er war blass und trug einen Verband um den Kopf, aber er sah glücklich aus. Glücklich und ziemlich lebendig!
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    In diesem Augenblick machte mein Herz einen Satz und in meinem Kopf schwirrten tausend Gedanken und Gefühle wie ein aufgescheuchter Spatzenschwarm wild durcheinander. Ich schaute zu Delia: Sie strahlte heller als der Sonnen-wagen. Nachdem wir Myron einen halben Augenblick lang ungläubig angestarrt hatten, sprangen Delia und ich auf ihn zu, fielen ihm
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