Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
Vom Netzwerk:
bearbeitet. Ein ehrgeiziger junger Mann. Ich war mit seinem Vater befreundet.«
    »Wovon willst du ihn überzeugen?«, fragte Ovid.
    »Na, von der Wahrheit, mein Junge.« Corvinus griff nach seinem Gehstock und erhob sich mühevoll von der Bank. »Von der nackten Wahrheit, wie ein Dichter einmal geschrieben hat.
    Von der Wahrheit, die die Mädchen herausgefunden haben.
    Aber ob mir das gelingt, weiß ich nicht. Der junge Aquilius kann sehr eigensinnig sein. Ein Sturkopf, genau wie sein Vater.«
    »Willst du gleich zu ihm gehen?«, fragte ich.
    »Gehen?«, fragte Corvinus und begann erneut zu kichern.
    »Nein, meine junge Dame. Das werde ich nicht. Aquilius wohnt auf dem Palatin. Ich glaube kaum, dass meine alten Beine mich noch so weit tragen würden.«
    »Aber …«, hob ich zu einem Protest an, doch Senator Corvinus tätschelte meine Schulter.
    »Ich werde nicht gehen«, wiederholte er lächelnd. »So alte Knaben wie ich gehen keine weiten Wege mehr, sie lassen sich tragen. Auf der Straße steht meine Sänfte. Die Sklaven dösen wahrscheinlich irgendwo im Schatten. Doch dieses Mittagsschläfchen werde ich unterbrechen müssen.«
    Mir fiel die kleine Sänfte ein, die ich beim Betreten des Hauses aus dem Augenwinkel neben dem Eingang stehen gesehen hatte. Corvinus’ Witze waren wirklich nicht die besten.»Und falls Aquilius uneinsichtig sein sollte«, der Senator 141

    lächelte mich verschmitzt an, »… ich bin heute Abend zum Essen eingeladen. Vielleicht kann ich da etwas erreichen.«
    »Bei einem Essen?«, fragte Delia erstaunt. »Was kann man denn bei einem Essen erreichen?«
    »Ach«, sagte Corvinus und legte seine Hand auf Delias Schulter, »das kommt immer darauf an, wer unter den Gäs-ten weilt. Oder bei wem man eingeladen ist. Gehabt euch wohl!«
    Er nickte uns zu und ging, auf seinen Stock gestützt, ein paar wacklige Schritte in Richtung Haus. Plötzlich blieb er stehen, rührte sich einige Augenblicke lang nicht, als dächte er angestrengt über etwas nach. Schließlich wandte er sich noch einmal um.
    »Gib ihnen einen griechischen Namen«, sagte er zu Ovid.
    »Wem?«, fragte der verdutzt.
    »Na, den Verwandlungsgeschichten, an denen du arbei-test. Und aus denen du mir noch vorlesen musst.«
    »Einen griechischen Namen …«, sagte Ovid, mehr zu sich selbst, und kratzte sich am Kopf, »… das ist eine gute Idee.
    Das ist eine sehr gute Idee. Corvinus, wir sollten …«
    Doch Senator Corvinus war schon durch die Gartentür verschwunden.
    Den Rest des Nachmittags verbrachten wir im Haus. Jetzt konnten wir nur noch warten. Ich konnte kaum einen Moment still sitzen. Selbst das Bad, das Delia und ich uns am frühen Abend gönnten, entspannte mich nicht. Die Stunden flossen träge dahin wie der Tiber in seinem Bett.
    Helios schirrte seine Rosse vom Wagen, die ersten Sterne 142

    zeigten sich am Himmel, doch immer noch keine Nachricht von Senator Corvinus. Irgendwann spät in der Nacht fiel ich in einen unruhigen Schlaf voller böser Träume, aus dem ich beim ersten Morgengrauen erwachte.
    Das Frühstück aßen wir bei Lydia in der Küche. Sie hatte mittlerweile ebenfalls erfahren, dass Myron unschuldig war.
    Darum gab sie sich die größte Mühe, uns mit endlosem Ge-plapper auf andere Gedanken zu bringen. Sehr erfolgreich war sie dabei nicht.
    Wir gingen hinauf in die Bibliothek. Lydia hatte erzählt, dass der Herr in der Nacht kein Auge zugetan hat. Er sei die ganze Zeit über in der Bibliothek auf und ab gegangen. Sie konnte es gut hören, da ihr Zimmer direkt unter der Bibliothek liegt und die knarrenden Deckenbalken sie immer wieder geweckt hatten.
    Ovid sah unausgeschlafen aus, als wir ihn an seinem Schreibtisch antrafen. Er hatte den Kopf auf beide Hände gestützt und starrte mit glasigen Augen ins Leere.
    »Alles in Ordnung, Papa?«, fragte Delia vorsichtig. »Soll ich dir eine warme Milch holen?«
    Ovid strich sich mit den Händen übers Gesicht und schüttelte den Kopf. »Ein Glas Wein wäre wohl besser«, murmelte er. »Oder eine Mütze voll Schlaf.«
    Er seufzte laut und lehnte sich, die Arme vor der Brust verschränkt, in seinem Korbstuhl zurück.
    »Aber die hätte ich mir wohl selbst holen müssen, heute Nacht.«
    »Wir konnten auch nicht schlafen«, sagte Delia. »Gibt es Neuigkeiten?«
    143

    »Leider nein«, sagte Ovid und erhob sich schwerfällig.
    »Aber damit können wir auch noch nicht rechnen. Rom erwacht gerade erst. Der Praetor wird noch nicht in seinem Büro sein. Wir müssen Geduld
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher