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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
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um den Hals und wollten ihn gar nicht mehr loslassen. Für Fragen und Antworten hatten wir gleich noch Zeit.
    »Was ist geschehen?«, fragte schließlich Delia, als wir uns einigermaßen beruhigt hatten.
    »Der Praetor«, sagte Myron mit belegter Stimme, »der Praetor hat mich heute Morgen freigelassen.«
    Was für eine furchtbare Nacht musste Myron hinter sich gehabt haben! Einen Tag und eine Nacht voller Ungewissheit und Todesangst. Das war ihm deutlich anzusehen.
    »Weil er dir geglaubt hat?«, fragte Delia Senator Corvinus und wäre ihm wohl am liebsten auch um den Hals gefallen.
    Ich hielt sie zurück, weil ich befürchtete, dass dies den kleinen alten Herrn umwerfen könnte.
    »Das war gar nicht mehr nötig«, antwortete der Senator.
    »Als ich Aquilius gestern Abend traf, war die ganze Sache gewissermaßen schon erledigt.«
    Delia und ich schauten ihn verständnislos an, Ovid kratzte sich sein unrasiertes Kinn und schien genauso wenig zu verstehen wie wir.
    »Nun«, fuhr Corvinus fort, »es ist im Grunde ganz einfach: Der wahre Täter hatte sich gestellt. Schon gestern Nachmittag.«
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    »Pacuvius?«, riefen Delia und ich wie aus einem Munde.
    Der Senator nickte. »Ja, ein junger Mann aus der Subura.
    Ein Tischler, wenn ich es recht verstanden habe. Er ist gestern Nachmittag plötzlich im Büro des Praetors aufgetaucht und hat alle Schuld auf sich genommen. Seine Geschichte war durchaus glaubhaft.«
    »Aber gestern war doch ein Feiertag«, sagte ich. »Wieso war der Praetor dann in seinem Büro?«
    »Aquilius ist ein ehrgeiziger Mann«, sagte Corvinus, »der es bis zum Consulat bringen will. Da arbeitet man auch feiertags. Sein Arbeitseifer war für unseren guten Myron ein großes Glück. Nur die Götter wissen, was dieser Tischler getan hätte, wenn er im Amtsgebäude des Praetors niemanden angetroffen hätte.«
    »Das heißt …«, ich schluckte, »jetzt wird also Pacuvius bestraft.«
    Senator Corvinus legte die Hand ans Ohr. »Den Tischler bestrafen?«, fragte er.
    Ich nickte.
    »Ja, das muss wohl so sein. Müsste so sein, müsste ich sagen. Wollte ich sagen … .«
    Er lächelte sein Schildkrötenlächeln und stürzte uns in die nächste Verwirrung.
    »Mein alter Freund …« Ovid mischte sich in das Gespräch ein. Er legte Senator Corvinus den Arm um die Schulter.
    »Ich habe den Eindruck, dass du die beiden Mädchen auf eben die Folter spannen möchtest, der Myron gerade entron-nen ist.«
    »Du hast recht«, sagte der Senator. »Ich mache es kurz.
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    Keine Scherze mehr. Also, der junge Tischler wird nicht bestraft. Er wurde heute früh entlassen, genau wie Myron.
    Wahrscheinlich ist er schon wieder zu Hause.«
    »Aber wie ist das möglich?«, fragte ich. »Er hat doch die Tat gestanden.«
    »Ja, das hat er. Aber seine Tat war in gewisser Weise Not-wehr.«
    »Damit wird sich Metellus nicht zufriedengeben«, sagte Ovid. »Wenn der erfährt, dass der Täter vom Praetor auf freien Fuß gesetzt wurde, wird er alle Hebel in Bewegung setzen, um das wieder rückgängig zu machen. Er hat gute Beziehungen, kennt viele Richter, war früher selbst einmal ein glänzender Anwalt.«
    »Ich glaube, Metellus hat im Moment ganz andere Sorgen.«
    Senator Corvinus lächelte wie eine Sphinx.
    »Was meinst du damit?«
    »Er hat gerade Besuch.«
    »Du sprichst schon wieder in Rätseln.«
    »Derselbe Besuch, der eben hier war.«
    »Der Kaiser ist bei Metellus? Was, bei allen Göttern, will er da?«
    »Ihn um etwas bitten.«
    »Bitten?«
    »Na ja, du weißt ja, wie das mit den Bitten des Kaisers so ist.«
    Ovid nickte. »Das sind nichts anderes als Befehle, denen man unverzüglich zu folgen hat.«
    »So ist es«, sagte Corvinus. »Der Kaiser wird Metellus bitten, eindringlich bitten, die Stadt zu verlassen.«
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    »Warum das?«
    »Metellus hat reichlich Dreck am Stecken. Einen ganzen Misthaufen, möchte ich fast sagen. Augustus hatte ihn schon lange im Auge. Die üble Sache mit dem Tischler Orbilius hat das Fass dann zum Überlaufen gebracht. Metellus hat es zu weit getrieben.«
    »Und darum muss er ins Exil?«
    »Wenn du es so ausdrücken willst. Streng genommen kommt er ja nur einer Bitte des Kaisers nach. Gestern beim Abendessen habe ich übrigens lange mit ihm über den Fall gesprochen. Und nicht ganz ohne Selbstlob darf ich behaupten, dass ich seinen Entschluss entscheidend beeinflusst habe.«
    »Du hast gestern Abend mit Augustus gesprochen?«
    »Ja, dort war ich eingeladen. Hatte ich das nicht
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