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Mohnblumenmond (Gay Urban Romance) (German Edition)

Mohnblumenmond (Gay Urban Romance) (German Edition)

Titel: Mohnblumenmond (Gay Urban Romance) (German Edition)
Autoren: Carol Grayson
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    “ D er nächste bitte!” Bodo Hallmann trommelte nervös mit den Fingern auf seinem Pult. Dann wischte er unsichtbaren Staub von den Blättern, die vor ihm lagen. Bislang hatte man ihm nur seine Zeit gestohlen. „Nie wieder ein offenes Casting“, brummte er. Den Medien hatte diese Idee gefallen, ihm stahl sie nur die Zeit. Für einen Mann wie ihn war das hier reine Zeitverschwendung, aber eine glänzende Promotion für seine Künstler. Seine Armbanduhr zeigte ihm, dass der nächste Termin mit wirklich wichtigen Leuten unaufhaltsam näher rückte.
    Zu dritt saßen sie nun seit dem frühen Vormittag in dem Konferenzraum eines bekannten Münchner Hotels und hörten sich einen mehr oder weniger gelungenen Gesangsversuch nach dem anderen an. Jetzt war es viertel vor sechs Uhr abends. Seit dem Bekanntwerden des Castings rannten die jungen Leute das Foyer des Hotels in der Münchner Innenstadt ein. Dort wurden sie von Helfern einer Eventorganisation registriert, nummeriert und irgendwie in eine lange Schlange geschleust, die sie in besagten Konferenzraum führte, wo man provisorisch eine kleine Gesangsanlage aufgebaut hatte. Ein leicht erhöhtes, rechteckiges Podest diente als Bühne, davor standen die drei Tische der Jury, mehr nicht. Spartanisch war noch ein lobendes Wort für die Einrichtung.
    Die Jury, vor der die hoffnungsvollen, ausschließlich männlichen Kandidaten, bestehen mussten, setzte sich aus dem Manager sowie den beiden Sängern Chris Moon und Okon Samura zusammen. Der dritte im Bunde sollte heute gefunden werden, damit die Boyband „Poppy Moon“ weiter existieren konnte. Das ehemalige Mitglied Jonas Falkner war vor wenigen Wochen durch einen tragischen Unfall zu Tode gekommen. Das hatte Bodos Konzept und die Aufnahmen für das neue Album völlig durcheinander gebracht. Denn es warteten Verträge darauf, erfüllt zu werden. Deshalb hatten sie in den Medien dieses offene Casting verkündet und der Zulauf aus ganz Deutschland war enorm. Vermutlich würden sie ein weiteres Wochenende ihre Zeit vertrödeln müssen, befand Bodo gerade im Stillen und das stimmte ihn wenig froh. Denn Zeit war für ihn Geld.
    Die Jungs und ihr Manager standen unter enormem Zeitdruck und die Anforderungen an den Neuen waren entsprechend hoch: gut aussehend sollte er sein, tanzen können musste er und singen ebenfalls. Dazu sollte er noch einen Typen verkörpern, der als Ergänzung zu dem norwegisch wirkenden blonden Chris und dem dunkelhäutigen Okon aus Nigeria passte.
     
    „Das bringt doch nichts“, murmelte Okon leise voller Enttäuschung, während er mit dem Kugelschreiber spielte. Er sprach perfekt Deutsch, denn seine Eltern waren vor vielen Jahren mit ihm als Baby nach Deutschland gekommen. Musik prägte sein Leben, die hatte er im Blut, wie man so schön sagte, aber jetzt hatte er eher Hunger und wenig Hoffnung, dass dieses Casting ihnen noch den erhofften Zuwachs für die Band bringen würde.
    Bodo blickte ihn strafend an, was so viel heißen sollte wie: „Klappe halten.“ Chris seufzte nur. Ein Kellner brachte gerade neue Getränke für die drei auf einem Tablett herein. Hinter ihm schlüpfte der nächste Kandidat durch die Tür, begleitet von undeutlichem Stimmengemurmel der vielen Wartenden im Foyer. Sofort ruhten alle Blicke auf dem Prüfling. Der junge Mann wirkte eher schüchtern, war aber bildhübsch. Sein Teint besaß eine natürliche Bräune, dunkle Locken verpassten ihm ein wenig italienisches Flair und die dunkelgrünen Augen erinnerten an frisches Waldmoos.
    „Wie alt bist du,…“, fragte Bodo und sah auf die vor ihm liegende ausgefüllte Setcard mit der Nummer 96. „…Julian?“
    Der Angesprochene räusperte sich verlegen und antwortete dann: „Zweiundzwanzig.“
    Der Junge wirkte wesentlich jünger, fast noch wie ein Teenager. Er war groß, aber irgendwie schlaksig. Bodo bezweifelte, dass er sich auf der Bühne würde synchron bewegen können.
    „Und du bist Student?“, fragte er weiter
    „Ja, Literatur.“ Die beiden jungen Leute neben Bodo verzogen das Gesicht. So was Staubtrockenes.
    „Sehr schön, und was willst du für uns singen?“
    „ Eyes without a face von Billy Idol“, antwortete der Junge und legte die CD mit dem Playback in die Anlage ein. Er schien sich zusehends sicherer zu fühlen. Seine Schultern strafften sich.
    „Hast du schon mal in einer Band gesungen?“, fragte Okon dazwischen. Mit einem so alten Song hatten sie nicht gerechnet.
    Der Dunkelhaarige
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