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0849 - Schattengesicht

0849 - Schattengesicht

Titel: 0849 - Schattengesicht
Autoren: Jason Dark
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Ich sah auch, was sie hielt. Es war ein alter Federhalter mit einer sehr langen Spitze, und genau diese Spitze war über meine Handfläche hinweggeglitten.
    Oder hatte ich das nur geträumt?
    Er hatte mich verflucht, er hatte mich mehrmals verflucht, und er hatte dabei wissend gelächelt.
    Jetzt kannte ich den Grund!
    Ich saß da und schwieg. Um mich herum tönte das Gemurmel der anderen Gäste, die sich in der Raststätte stärken wollten. Ich hoffte nicht, daß ich auffiel, denn ich wollte auf keinen Fall gestört werden.
    Das Gesicht war vorhanden, und das Gesicht lebte.
    Es bewegte sich, aber nicht, weil ich meine Haut in der Handfläche zusammengezogen oder gespannt hätte, nein, dieses Gesicht schaffte es, sich von allein zu bewegen. Ich hatte mich auf den Mund konzentriert, und genau dort sah ich wieder dieses verfluchte, widerliche Lächeln, das der Alte mir auch zum Abschied mit auf die Reise gegeben hatte. Ein Lächeln, das mich störte, irritierte, eben weil es so wissend und erhaben war, und mir klarmachte, wie tief ich in der Klemme saß. Ich war von einer anderen Kraft abhängig.
    Das Gesicht hatte auch eine Farbe. Zumindest die Umrisse, denn innen schimmerte die normale Haut durch die Lücken. Der Herr der Legenden, wie Zacharias auch genannt wurde, hatte es geschafft, jede Falte in seinem Gesicht nachzuzeichnen, und so war auch auf meiner Handfläche die kleinste Runzel zu erkennen.
    Selbst die Augen hatte er eingezeichnet, und darin bestand dann der einzige Unterschied.
    Sie »lebten«, ich sah es genau. Es war ein kaltes, böses Glitzern, als wären in meiner Hand zwei kleine Glasscherben hineingedrückt worden.
    Wollte er mir eine Botschaft zusenden? Wollte er mir klarmachen, wie gut er war, wie sicher, und daß ich gegen ihn nicht die Spur einer Chance hatte?
    Daß mich sein Fluch voll und ganz getroffen hatte, der mich den Rest meines Lebens begleiten sollte.
    Ich war ins Schwitzen geraten. Der Kaffee in der Tasse hatte sich abgekühlt. Zwei junge Frauen gingen an meinem Tisch vorbei und wunderten sich über meine Haltung. Sie sprachen mich nicht an.
    Es war mir unmöglich, meinen Blick von diesem verdammten Gesicht abzuwenden. Aber ich wollte und mußte stark sein. Ich konnte es nicht hinnehmen, daß dieser alte Mann seinen Fluch noch länger aufrecht erhielt.
    Wieviel Zeit vergangen war, wußte ich nicht. Irgendwann schaffte ich es wieder, klar und logisch zu denken, und von einem leisen Aufstöhnen begleitet hob ich den Kopf.
    Ein tiefes Durchatmen. Dann ballte ich die Hand zur Faust. In diesem Augenblick verspürte ich das dringende Bedürfnis, das Gesicht einmal zu zerquetschen wie einen weichen Pudding und die Reste dann wegzuspülen.
    Es war eine harte Faust, die ich gebildet hatte. Ich spürte die Fingernägel, wie sie in meinen Handballen drangen, als wären sie zahlreiche kleine Messer. Sie rissen dort kleine Lücken in die Haut, und als ich die Finger wieder streckte, da entschwand auch meine jäh aufgeflammte Hoffnung. Das Gesicht war nicht verschwunden. Ich hatte es durch den Druck der Faust nicht zerstören können.
    Es grinste mich weiterhin an.
    Dieses Lächeln machte mich noch verrückt. Ich hätte mir am liebsten die Hand abgehackt. Statt dessen schaute ich zu, wie aus drei kleinen Wunden Blutstropfen quollen und in dünnen Rinnsalen in meine Hand liefen.
    Gab es wirklich keine Möglichkeit, dieses verdammte Gesicht von meiner Handfläche zu entfernen?
    Nicht durch Reiben, nicht durch das Ballen zur Faust…
    Ich kam nicht damit zurecht, schüttelte den Kopf, und dann dachte ich an eine Tinktur oder etwas Ähnliches, mit der Tätowierungen entfernt werden konnten.
    Das war auch Unsinn.
    Wenn es mir tatsächlich eintätowiert worden war, dann auf eine magische Art und Weise. Da half dann auch keine Tinktur oder Salbe, dieses Zeug zu entfernen.
    Ich atmete. Zumindest das gelang mir. Ich hatte auch die Nervosität unterdrücken können und dachte so klar und logisch wie möglich daran, wie es weitergehen sollte.
    »Ich habe dich verflucht!«
    Die Stimme war da. Zwar nur als Flüstern, trotzdem deutlich. Und dieser eine Satz bannte mich auf der Stelle. Der Stuhl und ich bildeten plötzlich eine Einheit. Auch wenn ich es gewollt hätte, es wäre mir nicht möglich gewesen, mich von seiner Sitzfläche zu erheben, ohne daß ich den Stuhl selbst mitgezogen hätte.
    Die Stimme des Alten, dieses verfluchten Kerls, der auch der Herr der Legenden genannt wurde und gefangen in einem Berg
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