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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
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leer.
    Pacuvius musste in irgendeine Seitengasse gerannt sein. Es war aussichtslos, die Verfolgung aufzunehmen. Wohin hätten wir uns wenden sollen? In dem Gassengewirr der Subura hätten wir uns nur heillos verlaufen.
    »Weg«, sagte ich resigniert. »Er ist weg. Den holen wir nicht mehr ein. Und selbst wenn – wir könnten ihm eh nichts beweisen.«
    »Was hat er denn vor?«, fragte Delia verzweifelt.
    »Na, was wohl? Der will abhauen, die Stadt verlassen.«
    »Aber wir können ihn doch nicht einfach entkommen lassen!«, rief Delia. Tränen traten in ihre Augen.
    »Das ist schon geschehen«, sagte ich und hatte das Gefühl, als würde sich eine eiserne Klaue um mein Herz legen.
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    Zur zweiten Stunde am 17. Tag
    vor den Kalenden des Sextilis,
    früh am Morgen des 16. Juli
    SoschnellunsdieSandalentrugen,liefenwirdurchdie staubigen Straßen zurück auf den Esquilin. Wir stürmten quer durch das Haus in den Garten, wo Delia ihren Vater vermutete. Und richtig, er saß auf derselben Bank, auf der er schon am Morgen gesessen hatte, neben ihm ein kleiner alter Mann. Das musste Senator Corvinus sein. Er trug eine blass-grüne Tunica und die feinen roten Schuhe, an denen man Senatoren leicht erkennen kann. Augenscheinlich hatte der Senator darauf verzichtet, die Toga aus schwerer Wolle an-zulegen. Kein Wunder, bei der Hitze! Corvinus hatte ein Gesicht, das mich sofort an das einer Schildkröte denken ließ, so viele Falten und Furchen durchzogen seine dunkle Haut.
    138

    »Ich habe euch schon suchen lassen«, sagte Ovid, nachdem wir den Senator höflich begrüßt hatten. Er schaute uns verblüfft an. »Wie seht ihr denn schon wieder aus? Verschwitzt und voller Staub. Wo wart ihr? Doch nicht etwa …?«
    »Nein, nein«, sagte Delia, »mach dir keine Sorgen. Wir sind nur spazieren gegangen.«
    »Was hast du gesagt?« Senator Corvinus hielt sich die Hand hinters Ohr und blinzelte Delia mit seinen wässrigen Augen an.
    »Sie waren spazieren«, sagte Ovid mit lauter Stimme direkt in das Ohr des Senators.
    Corvinus musterte uns erstaunt. Es war uns schon sehr peinlich, in welchem Aufzug wir vor ihm standen. Aber etwas anderes bereitete uns größere Sorge.
    »Wir haben etwas herausgefunden«, rief ich. »Das würden wir euch gerne erzählen. Wenn ihr ein wenig Zeit für uns habt.«
    Es dauerte lange, bis wir unseren Bericht beendet hatten.
    Das lag nicht nur daran, dass wir so viel zu erzählen hatten, sondern vor allem daran, dass wir das meiste zweimal erzählen mussten. Senator Corvinus legte immer wieder eine Hand an sein Ohr, schüttelte den Kopf und schaute uns mit zusammengekniffenen Augen an. Als wir von Senator Metellus’ Machenschaften berichteten, schnaubte er und murmelte ein paar unverständliche Worte. Nachdem wir schließlich alles erzählt hatten, wussten wir zunächst nicht, was wir von Senator Corvinus halten sollten. Dieser schwerhörige alte Mann sollte einer der mächtigsten römischen Senatoren sein? Doch man soll nicht von der Farbe des Papyrus auf den 139

    Inhalt der Schriftrolle schließen, wie mein Vater immer sagt.
    Und das traf auch auf Senator Corvinus zu.
    »Ihr seid kluge und tapfere Mädchen«, sagte er. »Und ihr habt ein großes Herz. Das ist etwas ganz Besonderes. Aber eine Sache gibt es, die ihr dringend benötigt.«
    Wir schauten ihn verständnislos an.
    »Nun«, er schmunzelte, »habt ihr keine Ahnung, was das ist?«
    Ratloses Schulterzucken.
    »Ein Bad«, sagte er und begann zu kichern.
    Wir schauten an uns herunter und mussten zugeben, dass der Senator recht hatte. Allerdings war uns ganz und gar nicht zum Lachen zumute. Wir müssen ziemlich verstört geguckt haben, denn Corvinus sagte: »Entschuldigt bitte, Kinder. Meine Witze sind meistens nicht die besten. Das sollte ich lieber solch gescheiten Wortakrobaten wie meinem Freund Ovid überlassen. Aber nun zur Sache. Ovid hat mir schon einiges über den Fall erzählt. Eigentlich war ich hierhergekommen, um mir ein paar schöne Verse anzuhören. Nun denn, was kann ich für euch tun?«
    »Kannst du Myron helfen?«, schoss es aus Delia heraus.
    Ihre Stimme bebte, wahrscheinlich weil sie wusste, wie viel von der Antwort abhing.
    Senator Corvinus wiegte seinen Schildkrötenkopf.
    »Das kommt darauf an.«
    »Worauf?«, fragte Delia.
    »Ob ich Aquilius überzeugen kann.«
    »Wer ist Aquilius?«
    »Bitte?«
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    »Wer ist Aquilius?«, wiederholte Delia mit lauter Stimme.
    »Der Praetor«, antwortete Corvinus. »Der Praetor, der den Fall
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