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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
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haben.«
    »Wir haben eine Idee«, sagte ich und schaute Delia fragend an. Sie nickte. Ovid hob die Augenbrauen.
    »Wir wollen zum Praetor gehen und ihm die ganze Sache erzählen. Vielleicht kannst du ja mitkommen. Du bist ein angesehener Mann hier in der Stadt.«
    »Bitte, was wollt ihr?«
    Ovid schien nicht sehr begeistert zu sein von unserem Vorschlag. Ich muss zugeben, dass ich es auch nicht war. Zwei zwölfjährige Mädchen, die zu einem hohen römischen Beam-ten vorgelassen werden wollten, um sich für einen Sklaven einzusetzen, ohne irgendeinen Beweis mitzubringen – schon der Türhüter des Praetors würde uns auslachen.
    »Wir könnten es versuchen«, sagte Ovid langsam. Offenbar ging es ihm wie uns: Alles schien besser als die tatenlose Warterei. »Obwohl ich mehr als skeptisch bin. Aber vielleicht sollte ich zuvor einen Boten zu Senator Corvinus schicken, damit der …«
    Es klopfte an der Tür.
    »Ja?«
    Die Tür ging auf und Lydia steckte ihren Kopf in die Bibliothek. Ihre Wangen glühten wie Mohnblumen.
    »Es ist Besuch da, Herr. Er wartet unten im Atrium. Er sagt, er hat nicht viel Zeit.«
    »Besuch? Um diese Zeit?«, fragte Ovid. Wir drei schauten Lydia verdutzt an. »Wer ist es denn?«
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    Lydia lächelte scheu. »Du kennst ihn, Herr. Ein großer Bewunderer deiner Gedichte.«
    »Etwa Corvinus?«, fragte Ovid.
    »Nein«, sagte Lydia, »jemand anders. Aber du solltest wirklich schnell kommen, Herr. Er sagt, er hat es eilig.«
    »Gut, dann komme ich. Wartet hier auf mich«, sagte Ovid im Gehen zu uns. »Es wird nicht lange dauern. Und dann machen wir uns gleich auf den Weg zum Praetor.«
    Er zog die Tür hinter sich ins Schloss. Wir hörten, wie er und Lydia die Treppe hinunterstiegen.
    »Wer kann das sein?«, fragte ich.
    Delia winkte ab. »Keine Ahnung. Mein Vater bekommt dauernd Besuch von irgendwelchen Leuten, die sich für seine Gedichte interessieren. Hoffentlich quatschen die nicht so lange.«
    Delia ließ sich in Ovids Korbstuhl fallen, ich setzte mich auf die Tischkante. Ganz leise konnten wir die Stimmen zweier Männer hören, die sich miteinander unterhielten. Allmählich wurden wir unruhig. Wie lange wollte dieser Fremde Ovid denn noch aufhalten? Delia blickte mich genervt an.
    »Wenn das noch lange dauert …«
    Die Stimmen verstummten, die Treppenstufen knarrten.
    »Na endlich«, seufzte Delia und sprang, als die Tür ge-
    öffnet wurde, aus dem Stuhl. »Wie lange wolltest du denn noch …?« Sie brach mitten im Satz ab. Nicht ihr Vater stand in der Tür, sondern ein alter Mann, den ich nicht kannte. Ich musste an meinen eigenen Großvater denken, als ich ihn sah.
    Er war nämlich in einen dicken wollenen Umhang gehüllt, mitten im Hochsommer! Frieren alte Männer eigentlich 145

    immer? Allzu groß war er nicht. Er hatte volles graues Haar und abstehende Ohren.
    »Seid gegrüßt«, sagte er lächelnd. »Aurelia und …«, er schaute mich an, »Lycoris, nicht wahr?«
    Ich nickte. Wer war dieser Mann? Delia schien ihn zu kennen. Aber aus irgendeinem Grund hatte es ihr die Sprache verschlagen. Oder sie hatte einen Krampf im Kiefer. Auf jeden Fall konnte sie ihren Mund nicht mehr schließen.
    »Ich wollte euch persönlich danken«, fuhr der alte Mann fort, »für das, was ihr getan habt. Das war tapfer und selbst-los. Solche Eigenschaften findet man heutzutage nicht häu-fig. Und es war nützlich. Nützlich für mich. Aber das kann euch Ovid ausführlicher erklären. Ich habe jetzt keine Zeit.
    Hier«, sagte er und zog zwei kleine Kästchen aus seinem Umhang hervor, »als kleines Dankeschön.«
    Er schüttelte uns beiden die Hand und gab uns ein Kästchen. Ich war so verwirrt, dass ich alles über mich ergehen ließ. Wer war dieser Mann und was wollte er hier? Ich dachte an Myron und an die Zeit, die uns davonlief.
    »Lebt wohl«, sagte der Alte und war genauso plötzlich verschwunden, wie er gekommen war. Als er die Tür hinter sich schloss, hatte sich der Krampf in Delias Kiefer immer noch nicht gelöst. Langsam fing ich an, mir Sorgen zu machen.
    »Ist was?«, fragte ich sie. »Hast du ein Gespenst gesehen?«
    »Nein«, sagte Delia und schluckte. Offenbar hatte sie doch keinen Krampf. »Aber den Kaiser.«
    »Wo?«, fragte ich. »Wo hast du den …?«
    Ich stockte. In diesem Moment hat mein Herzschlag, glau-146

    be ich, für einen Moment ausgesetzt. Vor Schreck ließ ich das Kästchen fallen. Es sprang auf, ein goldener Ring fiel heraus und kullerte über den Fußboden.
    »Das war
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