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Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)

Titel: Ein falscher Traum von Liebe: Der lange Weg aus der Hölle meiner Kindheit (German Edition)
Autoren: Christine Birkhoff
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    _______________KAPITEL 1_______________
 
    Kindheit
     

    M
eine Mutter war gerade achtzehn Jahre alt geworden, als sie erfuhr, dass sie schwanger war. Ihre »Geburtstagsfeier« war somit ein echter Volltreffer. Bei Bekanntwerden ihrer Schwangerschaft wurde sie aus dem erzkatholischen Elternhaus geworfen, des Mädchengymnasiums verwiesen, und schließlich landete sie in einem Mutter-Kind-Heim im Sauerland. Im Kloster der Barmherzigen Schwestern kam ich am einunddreißigsten Oktober 1965 zur Welt. Da ich das Produkt einer tabuisierten Beziehung meiner Mutter zu einem Araber war, landete ich unmittelbar nach meiner Geburt im Waisenhaus und nicht sofort bei meiner Großmutter. Meine Mutter holte in diesen Jahren ihr Abitur nach und begann im Anschluss in Münster ein Lehramtsstudium. Bis zum heutigen Tag ist sie Grundschullehrerin in Westfalen.
    Kurz nach meinem dritten Geburtstag erhielt meine Großmutter mütterlicherseits den Auftrag von meiner Urgroßmutter, »ins Heim zu gehen und nachzuschauen, ob man was sieht«. Als sie zurückkehrte und berichten konnte, dass der orientalische Einschlag optisch offensichtlich an mir vorbeigegangen war, durfte sie mich wenig später ins großelterliche Haus holen.
    Über zwei Jahre lebte ich bei den alten Damen und glänzte durch aggressives Verhalten im Kindergarten und ständiges Bettnässen.
    Ich sehe noch heute meine Großmutter tränenüberströmt im Kindergarten stehen, wenn die Erzieherinnen ihr mal wieder eines der vielen schrecklichen Vorkommnisse erzählten. Die Fassungslosigkeit und Ohnmacht in ihrem Gesichtsausdruck, der Schmerz in ihren Augen und ihre unendliche Güte haben sich für immer in mein Gedächtnis eingebrannt.
    Meine Oma schmierte mir stets leckere Brote mit Leberwurst, die ich stolz in meinem knisternden Butterbrotpapier in den Kindergarten mitnahm. Es gab einen Jungen, der ganz wild auf diese Leberwurststullen war, und irgendwann hatte er unsere Brote heimlich ausgetauscht. So biss ich in großer Vorfreude auf den erwarteten Geschmack in mein Brot. Es schmeckte entsetzlich! Angeekelt spuckte ich alles wieder aus und wurde für dieses Benehmen natürlich scharf ermahnt. Wut kochte in mir hoch. Das kleine Monster war erwacht. Durch hämisches Lachen hatte sich der Junge verraten.
    »Was ist das auf dem Brot?«, schrie ich ihn an.
    »Schmalz!«, entgegnete er und schob sich den letzten Bissen meines Leberwurstbrotes in den Mund.
    Ich bin überzeugt, dass ich keinen blassen Schimmer hatte, was genau eigentlich Schmalz ist, aber schon das Wort genügte, um meine Wut zu schüren. Ich ergriff ein Bauklötzchen und zielte damit außer mir vor Rage auf den Kopf des Jungen. Der brüllte los und blutete entsetzlich. Schon in diesem Moment bereute ich meine eigene Unberechenbarkeit, aber es war zu spät. Das übliche Desaster der wüsten, aber auch berechtigten Beschimpfungen der Kindergärtnerinnen brach über mich herein. Alle kümmerten sich um den blutenden Jungen, und ich schrumpfte innerlich zu einem Häufchen Elend zusammen. Es grenzt an ein Wunder, dass ich diesen Kindergarten bis zum letzten Tag unbeschadet besuchen konnte. Man muss damals wirklich übermenschlich viel Geduld mit mir aufgebracht haben, anders kann ich mir das nicht erklären. Erstaunt hat mich als Kind, dass ich im Kindergarten für solche Aktionen nicht geschlagen wurde. Vielleicht wurde mit mir gesprochen, oder es wurden anderweitige Sanktionen verhängt. Ich weiß es nicht mehr.
    Wenn ich von meiner Großmutter spreche, dann denke ich stets an ihre schier unermessliche und unerschöpfliche Güte. Sie sprach immer leise und bedacht mit mir, und ich betete sie an. Meine Oma war mein Heiligtum (meine Uroma ein Mitläufer). Die Male, die ich nach der Schule nicht nach Hause musste, sondern von ihr abgeholt wurde, waren die Highlights im Kindesalter. Sie freute sich auf mich und zeigte diese Freude auch. Ihr war ich nicht lästig, und ich spürte mit jeder Faser meines Körpers und meines kleinen Herzens, dass ich geliebt wurde. Noch heute habe ich ein immenses Bedürfnis nach diesem Gefühl. Es ist wie ein Hunger, den man aus dem Kindesalter mit ins Erwachsenendasein hinübernimmt. Da war dieses Gefühl des Erwartetwerdens. Der Tisch war gedeckt und das Essen gekocht, und Oma gab sich wahnsinnig viel Mühe, meine Lieblingsspeisen zu kochen. Sie panierte auf einzigartige Weise Schnitzel, und ich hätte Stunden zuschauen können, wie sie die Schnitzel liebevoll in Mehlschwitze
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