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Das Löwenamulett

Das Löwenamulett

Titel: Das Löwenamulett
Autoren: Frank Schwieger
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hatte kräftige Arme. Ich versuchte, nicht weiterzudenken …
    Er kam noch einen Schritt auf uns zu. Wir hatten die Werkbank im Rücken und konnten nirgendwohin. Pacuvius zog die Hand aus dem Leinenbeutel. Sie war, den Göttern sei Dank, leer.
    »Gibst du es mir zurück?«, fragte er Delia.
    »Wa… was?«, stotterte sie mit weit aufgerissenen Augen.
    »Mein Löwenamulett«, sagte Pacuvius. Ich sah, dass Delia das Amulett fest umklammert in der Hand hielt.
    »Bitte«, sagte Pacuvius. Er streckte die Hand aus und lächelte gequält.
    Delia schaute mich fragend an. Ich wollte ihr sagen, dass es der einzige Beweis war, den wir hatten – da packte Pacuvius blitzschnell Delias Hand und entwand ihr das Löwenamulett.
    »Aua!«, rief Delia überrumpelt und rieb sich ihr Handgelenk.
    131

    »Es hat mir immer Glück gebracht.« Pacuvius drehte das Amulett in seiner Hand. »Bislang jedenfalls.«
    »Was hast du jetzt vor?«, fragte ich leise.
    Pacuvius zuckte mit den Schultern.
    »Was ich vorhabe? Ich werde zu meinem Onkel gehen und ihm bei der Arbeit helfen. Was haltet ihr davon?«
    Ich spürte, wie dumpfe Wut in mir hochkochte. Delia ballte die Fäuste und hätte Pacuvius mit ihrem Blick wohl am liebsten durchbohrt. In diesem Moment ahnten wir, dass alles verloren war, dass wir das Versprechen, das wir Myron gegeben hatten, nicht würden halten können, dass er morgen …
    »Aber vorher möchte auch ich euch eine Geschichte erzählen.« Pacuvius lächelte bitter. »Den Anfang kennt ihr schon.
    Es ist die Geschichte eines kleinen Jungen, dessen Eltern von einem raffgierigen Senator in den Tod getrieben wurden.
    Der Junge wurde dann von einem freundlichen Onkel und einer lieben Tante aufgenommen, deren Güte und Herzlich-keit vielleicht noch von ihrem Fleiß und ihrer Ehrlichkeit übertroffen werden. Nach einigen Jahren merkt der Junge, dass diese Tugenden der kleinen Werkstatt seines Onkels nicht viel nützen. Die Werkstatt gerät in große Schwierigkeiten, der Onkel kann die Rechnungen nicht mehr bezahlen, seiner Frau keine warme Kleidung kaufen, sich selbst nicht einmal einen Medicus leisten. Und warum das alles?
    Weil ein geldgieriger Senator ein Auge auf das bescheidene Häuschen des Onkels geworfen hat. Er will hier eine Mietskaserne hinklotzen, in der Menschen in schäbigen Löchern hausen und mit ihren überteuerten Mieten den Geldbeutel 132

    des Senators zum Platzen bringen. Aber was ist mit eurem Patron, fragt ihr?«
    Pacuvius funkelte uns an. Seine Wangen glänzten, silberne Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn.
    »Der liebe Patron könnte euch doch helfen. Hah!«
    Er spuckte auf den Boden.
    »Genau wie damals, als uns der liebe Patron Haus und Hof für einen Hungerlohn abgekauft hat. Wisst ihr denn nicht, wer der liebe Patron meines Onkels ist?«
    Wir ahnten es.
    »Richtig!«, rief Pacuvius, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Senator Metellus, der Senator mit dem steinernen Herzen und den platzenden Geldbörsen. Unsere Familie gehört seit Generationen zu den Klienten der Meteller. Er hat meine Eltern auf dem Gewissen. Und er ist kurz davor, mich zum zweiten Mal ins Elend zu stürzen, mich und meine Familie.
    Aber dieses Mal habe ich mich gewehrt.« Pacuvius streckte uns die geballte Faust entgegen. »Ich habe es zumindest versucht …«, fügte er leise hinzu. Er ließ die Faust sinken und atmete tief durch.
    »Wolltest du ihn …?« Delia konnte ihre Frage nicht zu Ende bringen.
    Pacuvius schüttelte den Kopf, das Feuer war aus seinen Augen verschwunden. »Töten?«, fragte er. »Gleiches mit Gleichem vergelten? Nein, das kann ich nicht. Bestehlen wollte ich ihn, einfach nur bestehlen. Onkel Orbilius hätte mit dem Geld die Rechnungen bezahlen und sich einen Medicus leisten können. Ich war so verzweifelt gestern Nacht.
    Wir hatten einen furchtbaren Abend hinter uns, Tante Ser-133

    vilia, Onkel Orbilius und ich. Onkel Orbilius hatte von seinem Besuch bei Senator Metellus erzählt, wie er höhnisch abgefertigt und vor die Tür gesetzt worden war. Und dann hat er alle unsere Schulden aufgelistet. Tante Servilia hat bitter geweint. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, habe das Haus heimlich verlassen, nachdem die beiden ins Bett gegangen waren, bin stundenlang durch die Stadt gelaufen.
    Irgendwann war ich auf dem Esquilin, stand vor dem Haus des Senators. Im letzten Winter hatten Onkel Orbilius und ich dort die Tür erneuert, die vom Haus in den Garten führt.« Pacuvius lächelte bitter. »Ein guter
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