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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Autoren: M. L. Stedman
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einstürmen, zu vertreiben und sich vorzustellen, wie es im Gefängnis ist. Sie hat keine Kraft mehr. Keinen Kämpfergeist. Sie steht vor den Trümmern ihres Lebens und wird sie nie wieder zusammensetzen können. Ihr Verstand versagt unter der Belastung den Dienst, und ihre Gedanken stürzen in einen tiefen schwarzen Brunnen hinab, wo Scham, Verlust und Angst sie zu ertränken drohen.
    Septimus und seine Enkelin standen am Fluss und beobachteten die Boote. »Weißt du, wer früher eine gute Seglerin war? – Meine Hannah. Als sie klein war. Als kleines Mädchen konnte sie einfach alles und hat mich immer auf Trab gehalten, so wie du.« Er zauste ihr Haar. »Meine kleine Grace.«
    »Nein, ich heiße Lucy!«, beharrte sie.
    »Als du geboren wurdest, bist du auf den Namen Grace getauft worden.«
    »Ich will aber Lucy sein.«
    Er musterte sie forschend. »Ich sag dir was, wir treffen eine geschäftliche Vereinbarung. Wir machen fifty-fifty, und ich nenne dich Lucy-Grace. Schlägst du ein?«
    Hannah wurde aus ihrem Schlaf auf dem Rasen dadurch geweckt, dass ein Schatten auf sie fiel. Als sie die Augen aufschlug, stand Grace dicht neben ihr und starrte sie an. Hannah setzte sich auf und strich schlaftrunken ihr Haar glatt.
    »Ich habe dir ja gesagt, dass sie das wecken wird«, meinte Septimus und lachte. Grace lächelte leicht.
    »Nein, bleib sitzen«, sagte Septimus, als Hannah aufstehen wollte. »Prinzessin, warum setzt du dich nicht auch und erzählst Hannah von den Booten. Wie viele hast du denn gesehen?«
    Das kleine Mädchen zögerte.
    »Mach schon. Weißt du noch, wie du sie an den Fingern abgezählt hast?«
    Sie hielt die Hände hoch. »Sechs«, verkündete sie und zeigte fünf Finger der einen Hand und drei der anderen, ehe sie zwei wieder anwinkelte.
    »Ich schaue mal nach, was es in der Küche Essbares gibt«, schlug Septimus vor. »Du bleibst hier und beschreibst die hungrige Möwe mit dem großen Fisch.«
    Grace ließ sich einige Meter von Hannah entfernt im Gras nieder. Ihr blondes Haar schimmerte in der Sonne. Hannah wusste nicht, was sie tun sollte. Einerseits wollte sie mit ihrem Vater über Sergeant Knuckeys Besuch sprechen und ihn um Rat fragen. Andererseits hatte sie Grace noch nie so offen und redselig erlebt und wollte den Moment nicht verderben. Aus Gewohnheit verglich sie das Kind mit dem Baby, an das sie sich erinnerte, und versuchte, ihre verlorene Tochter wieder zum Leben zu erwecken. Doch im nächsten Augenblick hielt sie inne. »Wir haben immer eine Wahl«, hallte ihr eine Stimme im Ohr.
    »Wollen wir einen Blumenkranz flechten?«, fragte sie.
    »Was ist ein Blumenkranz?«
    Hannah lächelte. »So etwas wie eine Krone für dich«, erwiderte sie und fing an, Löwenzahnblüten zu pflücken.
    Während sie Grace zeigte, wie man den Stiel mit dem Daumennagel anritzte und die nächste Blume durch das Loch fädelte, beobachtete sie die Hände ihrer Tochter und wie sie sich bewegten. Es waren nicht die Hände ihres Babys, sondern die eines kleinen Mädchens, das sie erst kennenlernen musste. Und umgekehrt. » Wir haben immer eine Wahl. « Leichtigkeit erfüllte ihre Brust, als hätte sie gerade einen tiefen Atemzug gemacht.

Kapitel 36
    Als die Sonne über dem Horizont schwebte, stand Tom am Ende des Landungsstegs in Partageuse und sah Hannah langsam auf sich zukommen. Seit ihrer letzten Begegnung sechs Monate zuvor hatte sie sich verändert: Ihr Gesicht war voller geworden und wirkte entspannter.
    Als sie endlich das Wort ergriff, klang ihre Stimme ruhig. »Also?«
    »Ich möchte mich bei Ihnen entschuldigen. Und mich bedanken.«
    »Ich will Ihren Dank nicht«, entgegnete sie.
    »Wenn Sie sich nicht für uns verwendet hätten, hätte ich weitaus länger als drei Monate im Gefängnis von Bunbury verbracht.« Es fiel Tom schwer, die letzten Worte auszusprechen. Jede Silbe war mit Scham befrachtet. »Und dass Isabels Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde, war laut meinem Anwalt hauptsächlich Ihr Verdienst.«
    Hannah blickte in die Ferne. »Es hätte nichts geändert, sie ins Gefängnis zu stecken oder Sie jahrelang dort festzuhalten. Was geschehen ist, ist geschehen.«
    »Trotzdem kann die Entscheidung für Sie nicht leicht gewesen sein.«
    »Bei unserer ersten Begegnung sind Sie gekommen, um mich zu beschützen. Mich, eine wildfremde Frau, der Sie zu nichts verpflichtet waren. Das ist, glaube ich, etwas wert. Und wenn Sie meine Tochter nicht gefunden hätten, wäre sie gestorben. Auch das habe ich mir
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