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Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)

Titel: Das Licht zwischen den Meeren: Roman (German Edition)
Autoren: M. L. Stedman
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nächsten Moment merkte er auf: Eine zierliche Gestalt steuerte auf das Revier zu. Kein Regenmantel, kein Schirm, die Arme verschränkt und vornübergebeugt, wie um sich gegen den Regen zu stemmen. Er erkannte ihren Umriss sofort. Kurz darauf öffnete Isabel die Tür. Die Augen geradeaus, marschierte sie schnurstracks zur Theke, wo Harry Garstone, inzwischen mit nacktem Oberkörper, damit beschäftigt war, eine Pfütze aufzuwischen.
    »Ich …«, begann Isabel.
    Garstone drehte sich zu der Besucherin um.
    »Ich muss Sergeant Knuckey sprechen …«
    Der Constable, halb nackt und den Mopp in der Hand, errötete verlegen. Sein Blick wanderte zu Tom. Isabel folgte ihm und schnappte nach Luft.
    Tom sprang auf, hing aber an der Wand fest. Er streckte die Hand nach Isabel aus, während sie verängstigt sein Gesicht musterte.
    »Izzy! Izzy, mein Liebling!« Er zerrte an den Handschellen und dehnte den Arm bis zu den Fingerspitzen. Sie verharrte, gelähmt vor Angst, Bedauern und Scham, und wagte nicht, sich zu bewegen. Im nächsten Moment siegte die Furcht, und sie schickte sich an, die Flucht zu ergreifen.
    Es war, als wäre Toms ganzer Körper bei ihrem Anblick wieder zum Leben erwacht, und der Gedanke, dass sie einfach verschwinden könnte, war mehr, als er ertragen konnte. Wieder zerrte er an seinen Fesseln, diesmal mit einer solchen Kraft, dass er das Rohr aus der Wand riss. Wasser spritzte hoch in die Luft.
    »Tom!«, schluchzte Isabel, als er sie in die Arme schloss. »Oh, Tom!« Sie zitterte am ganzen Körper, obwohl er sie festhielt. »Ich muss es ihnen sagen. Ich muss …«
    »Pssst, Izzy, pssst. Alles wird gut, Liebling. Alles ist in Ordnung.«
    Sergeant Knuckey kam aus seinem Büro. »Garstone, was in Gottes Namen …« Beim Anblick von Isabel in Toms Armen verstummte er. Beide waren tropfnass von dem Wasser, das sich aus dem Rohr ergoss.
    »Mr. Knuckey, es ist nicht wahr – nichts davon ist wahr!«, rief Isabel. »Frank Roennfeldt war tot, als das Boot angespült wurde. Es war meine Idee, Lucy zu behalten. Ich habe Tom daran gehindert, das Boot zu melden. Das alles ist nur meine Schuld.«
    Tom drückte sie fest an sich und küsste sie auf den Scheitel. »Pssst, Izz. Lass es einfach auf sich beruhen.« Er machte sich los, umfasste ihre Schultern und beugte die Knie, um ihr in die Augen zu sehen. »Alles ist gut, Liebling. Sag jetzt nichts mehr.«
    Knuckey schüttelte langsam den Kopf.
    Garstone hatte hastig den Uniformrock wieder angezogen und versuchte, sein Haar einigermaßen zu glätten. »Soll ich sie festnehmen, Sir?«
    »Zeigen Sie doch zum ersten Mal in Ihrem Leben nur einen kleinen Funken Verstand, Constable. Kümmern Sie sich lieber um das verdammte Rohr, bevor wir noch alle ertrinken!« Knuckey wandte sich an Tom und Isabel, die einander eindringlich ansahen. Ihr Schweigen verriet mehr als tausend Worte. »Und Sie kommen besser mit in mein Büro.«
    Scham. Zu ihrer Überraschung verspürte Hannah mehr Scham als Wut, als Knuckey sie aufsuchte, um ihr von Isabel Sherbournes Aussage zu berichten. Ihr Gesicht glühte bei der Erinnerung an ihr gestriges Gespräch mit Isabel und die Abmachung, die sie mit ihr getroffen hatte.
    »Wann? Wann hat sie Ihnen das erzählt?«, fragte sie.
    »Gestern.«
    »Wann genau gestern?«
    Knuckey war überrascht. Was spielte das denn für eine Rolle? »So gegen fünf.«
    »Also nachdem …« Ihre Stimme erstarb.
    »Nach was?«
    Hannah errötete noch heftiger, gedemütigt von der Vorstellung, dass Isabel ihr Opfer zurückgewiesen hatte, und zornig, weil sie belogen worden war. »Nichts.«
    »Ich dachte, es würde Sie interessieren.«
    »Natürlich. Natürlich …« Sie sah nicht den Polizisten an, sondern eine Fensterscheibe, die geputzt werden musste. Das ganze Haus hatte ein Großreinemachen nötig: Sie hatte seit Wochen kaum etwas im Haushalt getan. Sie ließ ihre Gedanken um das unverfängliche Thema Hausarbeit kreisen, damit ihr bloß kein Fehler unterlief, bis sie sich wieder gefangen hatte. »Und … wo ist sie jetzt?«
    »Auf Kaution entlassen und bei ihren Eltern.«
    Hannah kratzte an einem abgebrochenen Daumennagel herum. »Was geschieht jetzt mit ihr?«
    »Sie wird mit ihrem Mann vor Gericht gestellt.«
    »Sie hat die ganze Zeit gelogen … Sie hat mich in dem Glauben gewiegt …« Hannah schüttelte den Kopf. Ihre Gedanken schweiften wieder ab.
    Knuckey holte tief Luft. »Eine scheußliche Angelegenheit. Isabel Graysmark war ein nettes Mädchen, bevor sie
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