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Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen

Titel: Wilsberg 12 - Wilsberg und die Schloss-Vandalen
Autoren: Juergen Kehrer
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I
    Koslowski lag blutleer auf dem Seziertisch in der Pathologie. Ich konnte das Loch sehen, das die Kugel in seine Stirn gebohrt hatte. Unfähig, mich zu bewegen, stand ich am Fußende des Tisches. Dabei wusste ich genau, was jetzt kam, Koslowski hatte mich schon in etlichen Träumen damit gequält: Mein ehemaliger Partner richtete sich langsam auf und guckte mich vorwurfsvoll an.
    An dieser Stelle pflegte ich gewöhnlich aufzuwachen, schweißgebadet und voller Panik. Koslowski war vor zwei Jahren ermordet worden, doch sein Mörder lief immer noch frei herum. Derjenige, den die Polizei damals der Tat verdächtigte, musste nach zwei Wochen aus der Untersuchungshaft entlassen werden, die Beweise hatten für eine Anklageerhebung nicht ausgereicht.
    Ich nahm an, dass die Träume, die mich seit einiger Zeit überfielen, meinen eigenen Schuldgefühlen zuzuschreiben waren. Die Polizei hatte den Mord auf die lange Bank der ungeklärten Fälle geschoben. Wer, wenn nicht ich, hatte die verdammte Pflicht, sich um die Sache zu kümmern? Aber ich hatte keine Ahnung, wie und wo ich anfangen sollte.
    Als ich diesmal aufwachte, war es schlimmer als sonst. Meine linke Brusthälfte durchzuckte ein stechender Schmerz, der linke Arm war fast taub.
    Der Anfang eines Herzinfarkts, dachte ich, du bist reif!
    Quatsch!, widersprach mein Verstand. Du bist ein Hypochonder, Wilsberg. Stell dich nicht so an!
    Mein Verstand hatte schon mal überzeugender geklungen.
    Ich tastete mit der Hand nach dem Herzschlag. Er dröhnte so unrhythmisch wie eine münsterländische Schützenkapelle. Mit zitternden Beinen stampfte ich zum Fenster. Eine lasche Herbstsonne lugte in den Garten. Ich riss das Fenster auf und sog die kühle Luft ein.
    Die Schmerzen ließen nach. Ich wischte mir den kalten Schweiß von der Stirn und konzentrierte mich darauf, tief ein- und auszuatmen. Allmählich fühlte ich mich besser.
    Das war also noch nicht das Ende.
    »Ihr Herz ist in Ordnung«, sagte Doktor Sommer. »Das EKG zeigt, dass keine Schädigung vorliegt. Wir könnten natürlich eine 24-Stunden-Messung machen, aber ich glaube nicht, dass das notwendig ist.« Er sandte mir ein beruhigendes, ärztliches Lächeln über den großen Schreibtisch. »Das, was Sie beschreiben, deutet auf ein Stresssymptom hin. So etwas kommt vor. Sie sollten es ein paar Tage ruhiger angehen lassen, möglichst wenig Kaffee trinken und auch übermäßigen Alkoholgenuss vermeiden.«
    Ich erzählte ihm nichts von Koslowski und auch nicht, dass ich seit einigen Jahren trocken war.
    »Wann haben Sie das letzte Mal Urlaub gemacht?«
    Ich dachte nach.
    »Sehen Sie! Sie sollten mal ausspannen, zwei Wochen am Meer oder in den Bergen verbringen. Reizklima ist gut für die Entspannung.«
    Er kam um den Schreibtisch herum und streckte mir seine breite Hand entgegen.
    Ich stand ebenfalls auf. »Danke. Ich werde darüber nachdenken.«
    Ich hätte ihm sagen können, dass mir mein Kontostand jegliches Reizklima verbot. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er das nicht hören wollte.
    Und dann stand ich auf dem nostalgisch gepflasterten Platz in der Telgter Innenstadt – soweit man bei Telgte von einer Innenstadt sprechen konnte – und blinzelte in die kräftiger gewordene Sonne. Ich überlegte, wie ich die nächsten Stunden stressfrei verbringen sollte. Ein Besuch in einem Telgter Café fiel aus, zumindest bis zum Mittag wollte ich auf meinen geliebten Cappuccino verzichten.
    Also konnte ich genauso gut nach Hause fahren, ins Büro gehen und nicht die Kontoauszüge betrachten und mir keine Gedanken darüber machen, dass bald ein Klient auftauchen musste, damit endlich wieder Geld in die Kasse des Detektivbüros Wilsberg & Partner kam.
    Ein guter Anfang, wie ich fand.
    Die Detektei nahm die vordere Hälfte meiner im münsterschen Kreuzviertel gelegenen Wohnung ein. Wilsberg & Partner hieß sie übrigens, weil ich sie zusammen mit Koslowski gegründet hatte. Nach Koslowskis Tod hatte ich den Namen einfach beibehalten, obwohl ich von da an alleine arbeitete. Abgesehen von einer studentischen Aushilfskraft, die ich gelegentlich für einfache Routineaufgaben einsetzte.
    Die studentische Aushilfskraft saß an meinem Schreibtisch, als ich das Büro betrat.
    »Hallo, Franka!«, sagte ich.
    Franka schaute mich böse an. »Glaubst du, ich bin deine Sekretärin, oder was?«
    »Nie würde ich so etwas annehmen.«
    »Wieso schreibst du dann nicht auf, wo du bist und wann du zurückkommst? Ich hab was Besseres zu tun,
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