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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Autoren: Laura Antoni
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1  Guatemala, Departamento Alta Verapaz 1901
    »Margarete! Mar-ga-rete!« Die Stimme ihrer Gouvernante klang verärgert. »Wo ist das verflixte Mädchen nur schon wieder?«
    »Pst, Juan. Lass sie uns ruhig suchen.«
    Margarete, zierlich und schmal für ihre fast siebzehn Jahre, grinste den Jungen an und hob den Finger vor die Lippen. Sie ließ die Hand sinken und bedeutete ihm, ihr zu folgen. Er lächelte, zuckte mit den Schultern und lief ihr nach, tiefer in die Schatten des Dschungels hinein.
    Die Farne schlossen sich hinter ihnen und niemand würde vermuten, dass sie beide diesen Weg gegangen waren. In der Hitze des frühen Nachmittags wirkte der Regenwald still wie ein Dom. Nur ab und zu durchbrach das Zwitschern eines Vogels oder das leise Zirpen der Grillen die Ruhe, beinahe als ob alle Tiere auf die Kühle der Nacht warteten. Hinter ihnen raschelte es. Juan fuhr herum und stellte sich vor Margarete, bereit, sie gegen alles und jeden zu beschützen. Doch es war nur ein Gürteltier, das sich schnaufend seinen Weg durch das Unterholz bahnte. Sie sahen sich an und lächelten.
    »Sieh nur, wie schön.« Margarete blieb stehen und bewunderte die Blüte einer Orchidee. Feine rote Streifen zeichneten sich auf den gelben Blättern ab. »Ich werde sie vermissen. Die Schönheit unseres Waldes.«
    »Ich werde dich vermissen.« Sanft strich Juan ihr eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Sie werden dich bestrafen.«
    Margarete lachte nur und lief davon. Tiefer in das Halbdunkel des Waldes hinein. Erschreckt stoben rote und grüne Aras vor ihr auf wie Blumen, die plötzlich aus dem Grün des Waldes wuchsen.
    »Dein Vater wird dich bestrafen«, wiederholte Juan, nachdem er sie eingeholt hatte, und strich sich die schwarzen Haare aus der Stirn. Sein kantiges Gesicht wirkte weicher, als er Margarete aufmerksam betrachtete. In der Aufregung hatten sich ihre Wangen gerötet und ließen die Sommersprossen beinahe verschwinden. Schmutzflecken bedeckten ihr helles Kleid und die Haube war ihr vom Kopf gerutscht. In der Nachmittagssonne glänzten ihre hellblonden Haare beinahe weiß. Weiß wie die monja blanca, die weiße Nonne, die Juan ihr heute geschenkt hatte. Er hatte Margarete die Orchidee nur überreichen wollen, um sich von ihr zu verabschieden. Doch sie war aus dem großen Herrenhaus davongelaufen und mit ihm in den Nebelwald, der die Kaffee-Finca umgab, geflohen. Schon nach kurzer Zeit waren die Rufe ihrer Gouvernante, die nach ihnen suchte, verklungen. »Sie wird sehr wütend sein, wenn du nicht bald zurückkehrst.«
    »Ach was.« Margarete machte eine wegwerfende Geste mit der Hand. Dann strich sie eine Haarsträhne zurück, die ihr immer wieder vorwitzig ins Gesicht fiel. »Sie ist immer ärgerlich. Lass uns heute ein Abenteuer erleben.«
    Ihr Lächeln verschwand hinter einem Schleier aus Traurigkeit. Juan schaute sie prüfend an und strich ihr sanft die Strähne zurück, die sich schon wieder gelöst hatte. Sie legte ihre Hand über seine und lehnte ihre Wange an sie. Gemeinsam schwiegen sie einen Augenblick. Vorsichtig entzog er ihr die Hand und öffnete den Mund.
    »Bitte, bitte«, kam sie seinen Worten zuvor. Traurigkeit umschattete ihre hellen Augen und ließ sie älter, erwachsener wirken. »Heute ist unser letzter gemeinsamer Tag. Schenk mir ein bisschen Zeit.«
    »Mehr als das.« Er beugte sich zu ihr und küsste sie auf den Scheitel, schloss die Augen und flüsterte: »Ich habe dir mein Herz geschenkt.«
    Sie schwieg und lehnte sich an ihn, spürte seinen Herzschlag an ihrer Wange. Er hielt sie fest, so fest, dass es schmerzte, aber sie zog ihn nur enger an sich, als ob sie eins mit ihm werden wollte und die Welt und das Wissen um den Abschied ausschließen wollte.
    »Bring mich zu unserem Wasserfall«, bat sie schließlich und atmete tief ein. Sie versuchte, die Tränen zurückzudrängen, wollte nicht weinen, doch sie kam nicht gegen die tiefe Traurigkeit an, die sie zu überwältigen drohte. Sie wandte sich ab, aber er hatte die Tränen bereits bemerkt.
    Ganz sanft berührte er ihr Kinn und drehte ihren Kopf zu sich.
    »Es ist nur ein Jahr«, sagte er. Seine Stimme klang rau und er schluckte, als ob auch er gegen Tränen ankämpfen musste.
    »Wirst du auf mich warten?« Sie näherte sich seinem Gesicht, bis sich ihre Nasen berührten. Ohne es zu bemerken, hielt sie den Atem an und leckte sich die trockenen Lippen. »Wirst du?«
    Er nickte, unfähig zu sprechen. Ihre Nähe verwirrte ihn und das erste Mal, seit
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