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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Autoren: Laura Antoni
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er sie kannte, wagte er es, sie zu küssen. Schnell und flüchtig, unsicher, ob sie ihn nicht zurückweisen würde. Sie lächelte unter Tränen, zog seinen Kopf wieder heran und küsste ihn. Lange und zärtlich. Tastend,sich ganz dem Gefühl hingebend, das seine Nähe und der Kuss in ihr weckten.
    Schließlich lösten sie sich voneinander, beide etwas außer Atem. Sie schauten aneinander vorbei, verlegen über die Gefühle, die sie füreinander empfanden.
    »Du riechst gut«, flüsterte er in ihr Ohr. Seine Lippen glitten ihren Hals hinab. Er lachte und pustete leicht in die Beuge, die Stelle, wo der Spitzenkragen ihren Hals verhüllte. »Wie der Frühling.«
    »Das kitzelt.« Margarete schauderte und lachte. Sie befreite sich aus seiner Umarmung und lief davon. »Komm, lass uns zu unserem Wasserfall gehen.«
    Er blieb noch einen Moment stehen und lauschte. Weit entfernt hörte er die Stimme der Gouvernante. Beide würden sie für den gestohlenen Nachmittag büßen müssen. Das war ihm nur zu bewusst. Aber was konnte ihnen Schlimmeres geschehen als die Trennung?
    Er lauschte noch einmal, zuckte mit den Schultern und folgte ihr zum Wasserfall. Dem Ort, wo er sie das erste Mal gesehen hatte. Lächelnd erinnerte er sich. Vor vielen Jahren war sie schon einmal davongelaufen. War einem quetzal in den Dschungel gefolgt, ohne sich den Rückweg einzuprägen. Ihr Vater hatte alle Arbeiter und deren Familien zusammengerufen und demjenigen eine Belohnung versprochen, der seine Tochter zurückbrachte. Zum ersten Mal hatte der Junge an diesem Nachmittag einen Menschen in dem Herrn der Finca gesehen. Einen Vater, der bleich vor Sorge um seine Tochter war. Nur mit viel Glück hatte Juan das leise Weinen gehört und die Tochter des Herrn gefunden. Die hellen Haare aufgelöst, die Augen gerötet vom Weinen, die Arme zerkratzt von Dornen und dennoch hatteer gedacht, dass er nie ein schöneres Mädchen gesehen hatte. Sie kauerte am Wasserfall. Die Nachmittagssonne spannte einen Regenbogen über der sprühenden Gischt. Einen Regenbogen, in dem das Mädchen saß. Wie eine Göttin der alten Mythen war sie ihm erschienen, wie Ix-Chel, Herrin des Regenbogens, Göttin des Wassers.
    Vorsichtig hatte er sich ihr genähert und Margarete sanft angesprochen. Ohne zu überlegen, war sie ihm in die Arme gestürzt und hatte ihn angefleht, dass er sie nach Hause bringen sollte.
    Von der Belohnung hatte seine Familie die dringend notwendige Medizin für seinen kleinen Bruder kaufen können und ein Hochzeitskleid für seine Schwester. Juan jedoch war das Geld gleichgültig. Er war verzaubert von Margarete und suchte immer wieder ihre Nähe. Wohl wissend, dass er sich damit in Gefahr begab.
    Heimlich mussten sie sich treffen, stets in Sorge, dass jemand sie entdeckte. Ohne dass sie jemals darüber sprachen, wussten beide, dass ihre Freundschaft niemals geduldet werden würde. Und als sich aus der Freundschaft Verliebtheit entwickelte, waren sie noch vorsichtiger geworden. Und dennoch. Jemand musste sie gesehen und an den Herrn verraten haben. Zur Strafe wurde Margarete weggeschickt. Weit weg.
    »Wo bist du?« Margaretes Stimme zog Juan aus seinen dunklen Gedanken. Sie saß am Wasserfall, wieder umrahmt von einem Regenbogen, dessen Farben blass und durchscheinend wirkten. Ihr helles Kleid hob sich von der roten Erde ab. »Woran denkst du?«
    »Wie weiß deine Haut ist.« Der Junge streichelte die Hand des Mädchens. Zart, kaum spürbar glitten seine dunklen Finger über ihren Unterarm. Margarete erschauerteund betrachtete seine Hand. Für einen Maya hatte der Junge sehr helle Haut, beinahe wie ein ladino. Sie wusste, dass Juan darunter litt, auszusehen wie ein Mischling. Auch wenn sie arm war, war seine Familie stolz. Stolz darauf, Indios zu sein. Menschen, die in direkter Linie von den alten Herrschern, den Maya, abstammten und in der niemals Kinder der spanischen Eroberer geboren wurden. Ein paar Monate nach seiner Geburt hatte Juans Mutter ihn zu einem brujo, einem Schamanen, gebracht und diesen um Hilfe gebeten. Obwohl der Mann ihn mit einem Zaubermittel eingerieben hatte, war der Junge hellhäutiger geblieben als die anderen Mitglieder der Familie. Und er hatte in der Schule Lesen und Schreiben und Rechnen gelernt. Einen klugen Kopf hatte der Lehrer ihn genannt und bedauert, dass Juan nur ein Indio war. Ein Indio, dessen Wissensdurst ihn in Konflikt mit den engen Grenzen brachte, in denen sein Volk leben durfte, wenn es nach den gringos ging, die
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