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Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman

Titel: Die Erbin der Teufelsbibel Historischer Roman
Autoren: Richard Duebell
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1.
    Der Tod kam im Frühling, und er glänzte wie Gold.
    Der Junge, der die Schafe hütete, hörte die Reiter nicht gleich. Sie sprengten in einem unordentlichen Haufen aus dem Wald und auf die sattgrünen Weiden, aus dem blauen, lang gezogenen Schatten der Bäume hinaus in das rote Licht. Doch der Junge hatte den Blick abgewandt; er widmete sich ganz seiner Sackpfeife und der Melodie, die er aus ihr herausquälte. Er blickte erst auf, als das Donnern der Hufe seine Eingeweide zum Erzittern brachte. Die Schafe blökten und drängten sich zusammen.
    Der Junge kam auf die Beine. Das Anblasrohr glitt aus seinem Mund, und als er unwillkürlich den Luftsack an sich presste, gab die Sackpfeife einen kläglichen Ton von sich. Das Hufgetrommel versetzte seinen Leib in Schwingungen und brachte seine Augen zum Tränen.
    Die Reiter waren Kürassiere mit den üblichen, bis zu den Knien reichenden Trabharnischen und Sturmhauben auf den Köpfen, aber das wusste der Junge nicht. Was er sah, waren gesichtslose Wesen, die im Abendrot wie aus purem Gold gemacht schienen und deren blankgezogene Klingen Lichtreflexe schleuderten. Die Kürassiere schwärmten in einer langen, zerrissenen Reihe aus und formten einen Bogen wie eine riesige Hand, die nach der Schafherde und ihrem einsamen Hirten griff. Der Hund stürzte hinter der Herde hervor und warf sich den Reitern entgegen, das Donnern verschluckte sein Bellen, dann verschluckte ein Wirbel aus galoppierenden Beinen, hochgeschleuderten Grassoden und Dreck seinen Körper, als wäre er nie da gewesen. Die Schafe drehten sich wie auf Kommando um und flohen, eine hüfthohe Woge aus schmutzig weißem, krausem Fell, panisch glotzenden Augen und aufgerissenen Mäulern, die sich um die schmächtige, wie angewurzelt dastehende Gestalt mit der Sackpfeifeim Arm teilte. Der Goldschimmer der Panzer und die tanzenden Lichtblitze waren so schön, dass es einem den Atem verschlug. Der Junge blinzelte.
    Einer der Reiter schwenkte herum, lehnte sich halb aus dem Sattel, und irgendetwas im Hirn des Jungen, das von Überraschung und Staunen vollkommen überwältigt war, löste den Befehl aus, die Arme hochzuheben und dem Reiter entgegenzustrecken. Er fühlte den Anprall aus Pferdegeruch und Donnern, einen Augenblick bevor der Reiter heran war, fühlte sich emporgerissen und quer über einen Sattel geworfen, die Sackpfeife ging verloren und wurde in den Boden gestampft, er wurde durchgeschüttelt und auf- und abgeworfen, die Luft wurde aus seinen Lungen getrieben und sein Magen gequetscht, dass er sich hätte übergeben müssen, wenn er nur etwas im Bauch gehabt hätte. Er hatte das Gefühl zu fliegen. Eine gepanzerte Hand drückte ihn grob gegen einen gepanzerten Körper, doch er fühlte keinen Schmerz. Er flog! Die Pferdebeine waren ein Wirbel aus Muskeln, Sehnen und glänzendem Fell, der Dreck spritzte ihm ins Gesicht. Er renkte sich den Hals aus, um nach oben zu sehen, und starrte in ein bärtiges, schmutziges Gesicht unter dem Goldglanz der Sturmhaube. Ein Schwenk, der ihn beinahe heruntergeschleudert hätte, und die Sonne war im Rücken des Reiters, warf Reflexe um ihn herum und blendete den Jungen. Er sah, dass sich der Mund im Gesicht unter dem Helm öffnete, sah ein braunes Gebiss mit vielen Lücken. Der Mund verzog sich, und der Mann lachte laut.
    Der Junge lachte mit.

    Als sie den Hof erreichten, auf dem der Junge lebte, brachte der Reiter sein Pferd zum Stehen und ließ seine Beute von dessen Rücken gleiten. Die Knie waren dem Jungen so weich, dass er in sich zusammensackte, doch als er nach oben sah, lachte er erneut. Der Hof lag bereits im Schatten, das Goldverwandelte sich in Eisenglanz und den matten Schimmer der bronzierten Helme. Die Schafe wimmelten zwischen den Gebäuden herum. Der Bauer hatte nie erlaubt, dass sie frei auf dem Hof herumliefen; selbst zum Scheren waren sie in einen Pferch getrieben worden. Ihre Bocksprünge brachten den Jungen erneut zum Lachen.
    Ein zweiter Reiter kam zu dem heran, auf dessen Pferd er hierhergelangt war.
    »Das is’ ja ’n lustiger Vogel«, sagte der zweite Reiter. »Gehört der Flick hierher?«
    »Wo soll er sonst hingehören. Gibt doch weit und breit nix außer dem Hof hier.«
    Der erste Reiter musterte den Jungen, der inzwischen wieder auf die Beine gekommen war und erwartungsvoll zu den Männern nach oben blinzelte. Ein breites Grinsen lag immer noch auf seinem Gesicht.
    »Das is’n Idiot, wenn ich je einen gesehen hab«, sagte der zweite
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