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Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)

Titel: Im Land der Kaffeeblüten (German Edition)
Autoren: Laura Antoni
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erbleichte. Alle Farbe schien aus seinem Gesicht zu weichen. »Bitte nicht. Es tut mir leid.«
    »Das hättest du dir früher überlegen müssen.« Einzelne stumpfbraune Strähnen hatten sich aus ihrer sorgfältig gelegten Frisur gelöst und standen wirr um ihr Gesicht. Sie erinnerte Juan an die Darstellungen bösartiger Götter auf den verwitterten Steinen der alten Tempel. »Jetzt musst du mit den Konsequenzen deines Handelns leben.«
    »Nein.« Leise und klar sagte Margarete nur das eine Wort. Sie stellte sich neben Juan und reckte das Kinn empor. »Lassen Sie ihn in Ruhe. Oder …«
    Die Gouvernante schien in sich zusammenzufallen. Ihre Schultern sackten herab und sie kniff die Lippen zusammen.
    »Komm jetzt«, sagte sie dann mit einem Blick voller Verachtung.
    Margarete tastete nach Juans Hand und hielt sie einen Moment. Er streichelte mit dem Daumen über die weiche Stelle zwischen Daumen und Zeigefinger. Mit einer raschen Bewegung zog er ihre Hand an seine Lippen und hauchte einen Kuss auf ihre Fingerspitzen. Dann drehte er sichabrupt um und lief in den Wald. Margarete schaute ihm nach. Tränen glitzerten in ihren Augen.
    »Was du nur an ihm findest«, bohrte sich die spitze Stimme des Fräuleins in ihre Traurigkeit. »Dreckiger Indio. Ich sollte es deinem Vater erzählen.«
    »Gar nichts werden Sie tun«, antwortete Margarete mit kalter Stimme. »Und im Übrigen: Er heißt Juan. Wie Sie sehr wohl wissen.«
    Margarete und die Gouvernante maßen einander mit ihren Blicken. »Vielleicht wirst du in Deutschland Manieren lernen«, sagte Alice Dieseldorf schließlich. Bevor Margarete etwas erwidern konnte, drehte sich die Gouvernante um und ging in Richtung Herrenhaus davon.

2  Bremen 2011
    Julia steckte den Schlüssel in ihre Umhängetasche und wollte zur Tür hinaus, als ihre Mutter sie aufhielt.
    »Julia Margarete.«
    Wenn ihre Mutter sie mit beiden Vornamen in diesem Tonfall ansprach, würde sie nicht entkommen können. Das roch nach Ärger. Also blieb Julia stehen, seufzte kaum hörbar und wandte sich um.
    »Ja, Maman.« Ihre Mutter hatte lange in Frankreich gelebt und den Ehrgeiz besessen, ihre Tochter zweisprachig zu erziehen, was sie allerdings zur Erleichterung Julias irgendwann aufgegeben hatte. Dabei konnte sich Julia niemand Deutscheren als ihre Mutter vorstellen. Keine der Mütter ihrer Freundinnen war so streng wie Sophia Linden, die stets auf Pflichterfüllung bestand. »Was ist denn?«
    »Ich habe mit Frau Frigge telefoniert. Deine Leistungen in Mathematik sind ziemlich abgerutscht.«
    »Ach, Maman.« Julia hasste es, wenn ihre Mutter hinter ihrem Rücken mit der Schule telefonierte. Noch mehr hasste sie es, dass die Lehrer ihrer Mutter alles haarklein erzählten. Sollte nicht auch für die Schule eine Art Schweigepflicht gelten? So wie bei Ärzten und Anwälten. »Ich habe in einer Trigonometrie-Klausur vier Punkte geschrieben. Der Durchschnitt war insgesamt mies. Die Fragen waren einfach zu schwer.« Das hatte Frau Frigge bestimmt nicht erwähnt.
    Ihre Mutter stand vor ihr, einen Kopf kleiner als Julia. Schmal und zierlich, sehr gerade in ihrer Haltung, erinnerte sie Julia an die Tänzerin aus Black Swan. »Du weißt, dass ich keine Ausreden gelten lasse. Seitdem du mit dieser Bea befreundet bist …«
    Julia seufzte leise. Das hatte sie schon geahnt. Bea. Immer wieder Bea. Sophia Linden konnte Julias Freundin nicht ausstehen. Sie behauptete, Bea würde einen schlechten Einfluss auf sie ausüben, und gab ihr die Schuld für alles, was schiefging. Gut, Julia hatte die Mathe-Klausur verhauen. Aber sonst gab es keine schulischen Probleme. Das musste ihrer Mutter eigentlich reichen. Wieder seufzte Julia unhörbar. Niemals wären ihre Noten gut genug.
    »Dein Vater und ich haben uns zusammengesetzt.« In Julias Ohren klang das nicht nach einer Elternunterhaltung, sondern wie ein Krisengespräch im Nahen Osten oder eine Beratung der Bundesregierung über die Innere Sicherheit. »Wir sind der Ansicht, dass wir deine Schulwahl revidieren müssen.«
    »Was? Entschuldigung, wie bitte?« Julia starrte ihre Mutter mit großen Augen an. Das konnte sie nicht ernst meinen. Schließlich hatten ihre Eltern damals Schulprospekte gewälzt, mit Direktoren und Lehrern gesprochen, befreundete Professoren um ihre Einschätzung gebeten und was noch alles, bevor sie sich für das Internat entschieden hatten. Julia fühlte sich dort wohl, hatte in Bea und Hanna zwei Freundinnen gefunden, auf die sie sich verlassen
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