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Einsatz in New York - Secret Mission ; 1

Einsatz in New York - Secret Mission ; 1

Titel: Einsatz in New York - Secret Mission ; 1
Autoren: cbt Verlag: Verlagsgruppe Random House GmbH
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1
    Der Schmerz öffnet Rick die Augen. Kopfüber hängt er über der Straßenschlucht, die Stahlschlinge quetscht ihm die Fußgelenke. Rick spannt die Muskeln, schnellt hoch, erreicht mit einer Hand die Schlinge. Lockern kann er sie nicht. Roter Nebel in seinem Kopf, er sinkt zurück. Unten fahren Autos vorbei, oben baumelt Rick. Wieso kommt in Manhattan keiner auf die Idee, nach oben zu schauen? Die Straße gehört Kanter, denkt Rick, wer hochschaut, bestimmt er. Rick lässt sich hängen, in voller Länge, und streckt die Arme. Seine Hände sind blutig, die Adern treten hervor. Von Kanter hast du gelernt, wie man den Schmerz benutzt. Zeig ihm, dass du ein guter Schüler warst.
    Rick sieht seine Eltern, John und Melissa, abends am Feuer sitzen; sie halten sich zärtlich im Arm. Das Bild stimmt schon lange nicht mehr, aber die Vorstellung gibt ihm Kraft. Er ist kein gefesselter Junge mehr, zu schwach, dem mächtigen Kanter gefährlich
zu werden, er ist Rick Cullen, Agent zwischen den Fronten. Mit einem Schrei reißt er den Körper nach oben, packt das Seil, das sein Gewicht trägt, packt es über der Schlinge und entlastet es. Mit der andern Hand greift er in die Tasche und holt den Löffel heraus, den er von Kanters Tisch hat mitgehen lassen. Er schiebt den Löffel in die Schlinge und weitet sie um das winzige Stück, das er braucht, um einen Fuß herauszuziehen. Das Bein ist frei, das Blut zirkuliert. Der andere Fuß ist kein Problem. Lautlos sieht Rick den Löffel in die Tiefe entschwinden. Er hängt am Seil, hängt zwanzig Stockwerke über der Erde. Ausgerechnet an Kanters Fahnenmast haben sie ihn aufgeknüpft, weit ragt der Mast in die Straße hinaus. Rick zieht ein Knie an, pendelt ein winziges Stück, er streckt sich und pendelt in die Gegenrichtung. Drei-, viermal schwingt er hin und her, bis die Bewegung die ganze Länge des Seiles erfasst. Unter ihm rückt die Hauswand näher und entfernt sich, kommt wieder näher. Beim nächsten Mal lässt Rick los. Lässt in einer Höhe los, wo jeder andere sich verzweifelt festgekrallt hätte, bis die letzte Kraft aus seinen Armen gewichen und er abgestürzt wäre. Rick lässt los, sein Körper fliegt pfeilschnell durch die Luft. Er ist drahtig, er reißt die Arme nach vorn, die Richtung stimmt, doch Rick ist zu leicht. Sosehr er die Muskeln auch anspannt, er schafft es nicht, den rettenden Balkon zwei Stockwerke unter dem Fahnenmast zu erreichen. Rick prallt gegen das Geländer. Der Atem bleibt ihm
weg, die Rippen knacken. Er umklammert die Metallstreben, die Kraft seiner Arme reicht nicht aus, sich hochzuziehen. Rick verkantet das Kinn, hievt sich an den Halsmuskeln höher, stöhnt vor Anstrengung, kann ein Bein nachziehen. Ein Schrei, seine Lungen drohen zu platzen, er ist obenauf, mit dem letzten Quäntchen Energie lässt er sich auf die Innenseite des Balkons fallen. Er ist so was von fertig, doch im nächsten Moment kommt er auf die Knie. Hier kann er nicht bleiben, er muss weiter, muss fort, nur fort aus Kanters Haus.
    Ein leises Knarren, die Balkontür öffnet sich. Kanters Frau tritt ins Freie. Auf den Knien schaut Rick Oona an, die Frau, die er all die Wochen begleitet hat. Sie zuckt zusammen – seine blutigen Hände, das zerschundene Gesicht.
    »Wenn er mich erwischt, stellt er noch schlimmere Sachen mit mir an«, keucht Rick.
    Sie zieht die Lederjacke enger vor ihre Brust. »Ich kann dir nicht helfen, Rick. Ich darf nicht.«
    »Oona, es stimmt nicht, was sie über mich sagen.«
    »Tut mir leid.« Sie dreht sich um und gibt den Blick auf das Zimmer frei.
    Theodore Kanter trägt einen schwarzen Bademantel, das Handtuch um seinen Nacken zeigt, er hat gerade geduscht. Kanter ist ein schwerer Mann, aber man täuscht sich, wenn man ihn für schwerfällig hält. Rick überlegt, ob er ihn beiseitestoßen und bis zur Tür gelangen kann. Seine Beine fühlen sich leblos
an, sie werden ihn nicht tragen. Er kennt Kanters Leute, vor jeder Tür steht ein Mann, es sind starke, reaktionsschnelle Männer. Unter ihnen ist auch Semyoto, der Meister, dem Rick selbst nach hundert Trainingsstunden nicht gewachsen wäre. Statt loszurennen, statt weiterzukämpfen, sinkt er auf die Seite und lehnt die brennende Schulter gegen die Wand.
    »Hat es dir auf dem Fahnenmast nicht gefallen?«, fragt Kanter mit Schlangenstimme. »Wie schnell du dich befreit hast, mein Kleiner. Das zeigt, wie gefährlich du bist.«
    Ein Wink Kanters, Geräusche von drinnen, Rick sieht sie kommen. Er reibt die
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