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Das Licht von Shambala

Das Licht von Shambala

Titel: Das Licht von Shambala
Autoren: Michael Peinkofer
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begraben. Risse breiteten sich im Boden aus, die sich spinnennetzartig fortpflanzten und die Flüchtlinge schließlich einholten. In ihrer Verzweiflung verlangten sie ihren ermüdeten und gepeinigten Körpern das Äußerste ab - und konnten endlich das Rauschen des Wasserfalls hören.
    Sie rannten weiter.
    Zurück in die Gegenwart.
    Zurück ins Licht.

EPILOG
     
    K LOSTER T IRTHAPURI
    W ESTTIBET
    30. JUNI 1885
     
    »... und in dem Augenblick, da sich die Pforte öffnete, konntet Ihr Euch an alles erinnern?«
    Aus Abt Ston-Pas milden Zügen sprach kindliche Neugier. Von dem Augenblick an, da Sarah und ihre Gefährten nach Tirthapuri zurückgekehrt waren, hatte er sie ununterbrochen mit Fragen bombardiert. Und auch jetzt, da der Abschied nahte, schien er nicht gewillt, damit aufzuhören.
    »Ja«, bestätigte Sarah. »Obwohl das Ritual damals nicht abgeschlossen wurde, war es weit genug vorangeschritten, um mich viele Dinge erkennen zu lassen. Unter anderem auch, was sich hinter dem dritten Geheimnis verbarg.«
    »Und was genau ist es gewesen?«
    »Die Antwort auf diese Frage«, entgegnete Sarah (und erstmals war sie es, die sich in Rätsel hüllte), »liegt tief unter dem Weltenberg verschüttet. Dort sollten wir sie auch belassen.«
    »Wie Ihr wünscht, Mahasiddha«, erwiderte der Abt und verbeugte sich.
    Nachdem seine Mitbrüder und er sich von Sarahs Gruppe getrennt hatten, waren sie wie angekündigt die innere khora um den Kailash gewandert und hatten dabei um Unterstützung für Sarahs Kampf gegen die bösen Mächte gebetet. Dass sie am Ende siegreich geblieben und es ihr gelungen war zu verhindern, dass das dritte Geheimnis in falsche Hände geriet, war für die Mönche ein unbestrittenes Ergebnis ihrer Bemühungen; früher wäre Sarah vermutlich anderer Ansicht gewesen und hätte nach einer wissenschaftlichen Erklärung gesucht. Doch nach allem, was sie erfahren hatte, widersprach sie nicht, und selbst Friedrich Hingis schien nicht mehr daran zu zweifeln, dass es die Vorsehung gewesen war, die Kamal und Sarah wieder zusammengeführt und für einen glücklichen Ausgang der Ereignisse gesorgt hatte.
    Wenn auch nicht für alle Beteiligten ...
    Trotz des Sieges und der Tatsache, dass Sarah und Kamal wieder vereint waren, hatte es in Tirthapuri keine Feier gegeben. Zu gegenwärtig war noch das Gefühl der Bedrohung, zu groß die Trauer um den Freund, der sich geopfert hatte, um die anderen zu retten.
    Hieronymos war, wie Sarah es ihm aufgetragen hatte, nach Redschet-Pa gegangen, das er nur unzureichend besetzt vorgefunden hatte. Eine kleine Besatzung von Ordensschergen war damit beauftragt gewesen, die Verliese zu bewachen, in denen nicht nur Kamal festgehalten worden war, sondern auch du Gards europäische Geldgeber. Der Zyklop hatte sie befreit und davongejagt, dann war er mit Kamal nach Shambala aufgebrochen. Unterwegs hatte er ihm offenbart, wer er tatsächlich war und was in der Zwischenzeit geschehen war. Und je näher sie dem Ort auch seines Ursprungs gekommen waren, desto mehr hatte sich die Blockade über seinen Erinnerungen gelöst.
    Kamal entsann sich der Verantwortung, die auf seinen Schultern ruhte, und dass auch er einst Hüter eines Rätsels und damit beauftragt gewesen war, es vor den Mächten des Chaos zu schützen. Er erinnerte sich an den Weg nach Shambala und drang gemeinsam mit dem Zyklopen ins Innere des Berges vor, ahnend, dass seine Bestimmung dort auf ihn wartete.
    Auch Viktor Abramowitsch hatte sein Schicksal gefunden, wenn auch sicher anders, als er es sich erhofft hatte. Noch immer fragte sich Sarah, auf wessen Seite der Ochrana-Agent zuletzt gestanden hatte. Hatte er stets nur die Interessen seines Landes vertreten? Hatte er eigene Ziele verfolgt? Oder hatte er am Ende seines Lebens erkannt, dass der Kampf, den Sarah und ihre Gefährten führten, wichtiger war als die Belange einer einzelnen Nation?
    Man würde es niemals herausfinden, aber in gewisser Weise passte es zum Wesen des Russen, dass seine Pläne bis zum Schluss undurchschaubar geblieben waren. Seinen Beitrag zum großen Spiel jedoch hatte er unter Einsatz seines Lebens geleistet, und Sarah war sicher, dass sie Abramowitsch ebenso wenig vergessen würde, wie sie Hieronymos oder die Gräfin Czerny vergessen würde.
    Am Ende hatte Sarahs Erzfeindin erkennen müssen, was es bedeutete, von allen verlassen und verraten zu sein. Sich an du Gards Irrglauben klammernd, hatte sie die Unsterblichkeit für sich reklamieren wollen und
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