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Blitz der Hengst des Sonnengottes

Blitz der Hengst des Sonnengottes

Titel: Blitz der Hengst des Sonnengottes
Autoren: Walter Farley
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Der Winterreiter

    Alec Ramsay machte einen Dauerlauf rund um das Innenfeld der Pferderennbahn. Unter dem schweren, wollenen Trainer war sein Körper sehr schlank und drahtig. Es herrschte eine Temperatur unter Null, und die Rennbahn neben ihm war mit Eis und Schnee bedeckt. Ein eisiger Wind fegte über die Bahn und zwang ihn, seinen Kopf tiefer in die Kapuze zu stecken.
    Alec war ein sportlicher junger Mann, der nur drinnen blieb, wenn es unbedingt nötig war. Daher trimmte er sich auch das ganze Jahr über. Dann blieb er in Form. Ein Jockey brauchte kräftige Beine, und es durfte ihm nicht so schnell die Luft ausgehen. Jogging stärkte die Lungen. Und das war nötig, wenn man nachmittags auf die Rennbahn ging.
    Aber an diesem Morgen herrschten keine normalen Bedingungen, nicht einmal für den Monat Dezember in New York. Alec wäre ein klarer Himmel und eine höhere Temperatur lieber gewesen. Obwohl er sich gern an alle Rennen erinnerte, die er schon geritten war, hatten sie doch auch ihren Tribut gefordert, von ihm wie von allen andern Jockeys. Seine Hände waren stark, breit und schwielig, und sie konnten sich so rasch und geschickt wie die eines Musikers bewegen. Dennoch rumorte in beiden Händen ein quälender Schmerz zwischen Daumen und Zeigefinger, wo er beim Reiten die Zügel hielt.
    Der Arzt hatte ihm gesagt, das sei Arthritis und würde in den Wintermonaten besonders schmerzhaft sein. Alec schüttelte bestürzt seinen kapuzenbedeckten Kopf. Arthritis — so etwas hatten doch nur alte Leute! Er hingegen war noch ein junger Mann. Ganz zu schweigen von der schmerzhaften Verhärtung in der Schulter, die von einem verheilten Schlüsselbeinbruch herrührte. Aber Stürze und Knochenbrüche gehörten nun einmal zum Rennsport. Und die Schmerzen würden in Zukunft sicher noch zunehmen. War sein Körper noch geschmeidig genug und so voller Spannkraft wie früher? Wie lange würde er im Rennsport bleiben können?
    Als Alec die Gerade hinablief, konnte er die Haupttribüne der »Aqueduct-Rennbahn« gut sehen. Hoch über den Sitzreihen und der gläsernen Kabine für die Presse waren die Video-Kameras an einer Ecke des Clubhausdaches angebracht. Sein Blick schweifte hinüber zur Bahn auf der anderen Seite des Zaunes. Der leichte Schneefall hatte sie glitschig gemacht. Heute sollten sich alle Reiter besser aufs Überleben als auf den Sieg einstellen. Aber Alec wußte, daß das niemand tun würde. Alle liefen das Rennen, um zu gewinnen. Und bald — es waren nur noch drei Stunden bis zum Beginn des ersten Nachmittagsrennens — würden die Tribünen mit Tausenden von Fans besetzt sein, die entschlossen waren, bei jedem Wetter auszuharren.
    Alec hüllte sich fester in seine Kapuze und senkte den Blick auf den schneebedeckten Boden. Da er nun einmal hier sein mußte, konnte man ihm wohl nicht übelnehmen, daß er die Reiter beneidete, die während der kalten Wintermonate in Florida oder Kalifornien Rennen reiten durften. In seiner dicken Kleidung konnte er sich nicht richtig einlaufen, obwohl er schwitzte. Auch seine Knie machten ihm manchmal Sorgen. Hoffentlich bekam er kein Wasser in den Knien wie manche seiner Kollegen. Immerhin durfte er sich auf ein schönes, warmes Sprudelbad und die Sauna freuen, wenn er in den Jockeyraum zurückkam. Auf diese Weise wenigstens würden sich seine Muskeln lockern, und er könnte dabei gleich ein paar Pfund loswerden.
    Hoffentlich gelang es ihm heute, sein Gewicht auf 52 Kilo zu reduzieren. Wenn nicht, würde Henry Dailey ihm den Kopf abreißen. Ihre junge Stute, »Pams Song«, war das Leichtgewicht im Rennen und mit nur 55 Kilo gemeldet. Das bedeutete, daß Alec, wenn er mit drei Kilo Zusatzgewicht auf die Waage stieg, nicht mehr als 52 Kilo wiegen durfte, drei Kilo weniger als sein gewöhnliches Gewicht. — Ein Grund mehr, unermüdlich zu joggen.
    Dabei hatte man vor dem Rennen auch ein wenig Muße nachzudenken. Saß man einmal im Sattel, blieb dafür keine Zeit. Dann galt es zu handeln und auf Befehl loszugehen. Alecs Gedanken wanderten zu Pams Song, der wunderschönen, stämmigen kleinen Stute, die er reiten würde. Sie hatte ein schimmerndes, blondes Fell mit einer Nuance Kastanienbraun darin, der Farbe ihrer Mutter, nicht ihres Vaters, des Hengstes Blitz. Es war der gleiche Ton wie das Goldhaar von Pam, nach der sie das Fohlen getauft hatten. Aber Alec würde sich zwingen, heute nicht zuviel an Pam zu denken, denn Henry hatte ihm vorgeworfen, daß das seinen Rennstil beeinflußte.
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