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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel
Autoren: Kathleen McCleary
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hindurch und wartete auf der anderen Seite, bis Baker das Tor geschlossen und verriegelt hatte und wieder in den Wagen gestiegen war. Es war so sehr Routine für die Jungen, dass sich keiner von ihnen darüber beschwerte, obwohl sie es eilig hatten. Schließlich wollten sie später nicht Ziegen oder Alpakas durch die Wälder jagen, weil sie ein Tor offen stehen gelassen hatten.
    »Weißt du denn, ob sie scharf aussieht?«, fragte Hood, während sie in die Norduferstraße einbogen. Selbst nachdem sie fünfundfünfzig Jahre hier war, verblüffte Betty dieses Paradox, der Kontrast zwischen der magischen Schönheit der Straßen auf Sounder und ihren profanen Namen noch immer. Die unbefestigte Straße, die eine Wiese mit blauen Prärielilien und gelben Pfingstveilchen durchschnitt, deren Farben jedes Frühjahr neu erstrahlten, hieß Kiesgrubenstraße . Den Weg, der sich an einem Fluss und an großblättrigen Ahornbäumen entlangschlängelte, die sich im Herbst golden verfärbten, hatte man Hügelstraße genannt. Und dieser Weg, der durch einen Wald mit uralten Hemlocktannen, Zedern und Douglasien führte, war, wie gesagt, die Norduferstraße . Die Pioniere von Sounder mochten mutig gewesen sein, aber gewiss nicht sonderlich kreativ.
    »Was?«, fragte Betty.
    »Das neue Mädchen«, sagte Hood. »Sieht sie scharf aus?«
    »Ich habe nicht darum gebeten, dass sie dem Mietvertrag Fotos beilegen«, erwiderte Betty trocken. »Mein Fehler. Ich glaube nicht, dass ich den Mietvertrag auflösen kann, falls die Tochter hässlich ist.«
    Hood verdrehte die Augen: »Sehr witzig, Grim.«
    »Susannah hat auch einen Sohn«, sagte Betty. »Ich glaube, er ist zehn oder elf. Ich hoffe, dass ihr ihm ebenfalls das Gefühl vermittelt, willkommen zu sein.«
    »Es ist seltsam, dass sie im Oktober herkommen«, meinte Baker. »Die Schule hat bereits angefangen. Warum ziehen sie um?«
    »Ich hab euch alles gesagt, was ich weiß«, antwortete Betty. »Susannah sagte, dass sie eine Veränderung brauchen und dass sie sich seit ihrer Jugend irgendwie für San Juan interessiert.«
    »Es ist seltsam, dass sie überhaupt herkommen«, warf Hood ein.
    Betty verzichtete darauf hinzuzufügen, dass Susannah erwähnt hatte, ihre Tochter habe einige »Verhaltensprobleme«, und sie hoffe, das andere Lebenstempo auf der Insel möge helfen. »Lass sie unvorbelastet auf Sounder anfangen«, dachte Betty. Genau darum hatte sie sich selbst bemüht, als sie vor all den Jahren mit Bill hier eingetroffen war. Sie hatten die Farm ohne vorherige Besichtigung gekauft und waren mit allen möglichen Hoffnungen für ihren Neuanfang hergekommen, obwohl sie damals bereits seit vier oder fünf Jahren verheiratet gewesen waren.
    Und Sounder hatte eine Zeit lang tatsächlich Wunder gewirkt. Jene ersten sechs Monate, nachdem sie sich an die harte Arbeit gewöhnt hatte, die mit einem Leben ohne Elektrizität und fließendem Wasser verbunden war. Sie hatte sich innerlich auf eine Weise entspannt, die sie nie zuvor erlebt hatte. Was sie dann fertigmachte und für eine Weile von der Insel forttrieb, hatte nichts mit Sounder und alles mit dem Mann zu tun, den sie geheiratet hatte.
    Als sie zurückkam, hegte sie eine andere Art von Hoffnung: Hoffnung für ihr Kind. Das war es, was sie zurück nach Sounder trieb, und das war es, was sie dazu bewegte, all die Jahre hierzubleiben und die Anfälle von Einsamkeit und Langeweile durchzustehen. Sicher, sie bekam Briefe von ihrer Schwester Bobbie, die in Seattle wohnte und über eine Party berichtete, die sie veranstaltet, oder über einen Film, den sie gesehen, oder einen Stoff, den sie gekauft hatte, um ihr Wohnzimmer neu zu gestalten. Und Betty dachte dann: »Ich könnte gehen. Ich könnte Jim nehmen und mit ihm nach Hause fahren, und ich könnte einen Film sehen und in einer Wohnung mit Geschirrspülmaschine und elektrischem Licht wohnen und brauchte mich mein Leben lang um kein verdammtes Huhn mehr zu kümmern.« Aber dann betrachtete sie Jim, ihren sensiblen, brillanten Sohn, und sah, wie ihn Sounder aufbaute, angefangen bei den langen, wilden Streifzügen, die er allein durch die Wälder unternahm, über die unzähligen Bücher und Comic-Hefte, die er, da sie kein Fernsehen hatten, wieder und wieder las, bis hin zu der Rasselbande, deren Mitglieder er seit seiner Geburt kannte – und es gab in den frühen 60er- und 70er-Jahren weiß Gott eine solche Rasselbande auf Sounder, als fünfundvierzig Kinder das Schulgebäude füllten und sich auf
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