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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel
Autoren: Kathleen McCleary
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wusste nicht mehr, ab wann genau ihr die hiesige Dunkelheit wohltuend vorgekommen war, ebenso wenig wie sie sich daran erinnern konnte, von welchem Moment an das Geräusch des auf das Dach hämmernden Regens einen beruhigenden Rhythmus angenommen hatte und nicht mehr das gleichförmige, aufdringliche Geprassel war, das sie in jenem ersten Jahr an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Es war immer eine Frage, wie man die Dinge betrachtete.
    Betty trank einen letzten Schluck Kaffee und stellte ihren Becher auf die Theke. Sie drückte ihre Zigarette in dem Becher aus und nahm ihren Parka vom Haken an der Hintertür. Musste sie irgendetwas mitnehmen? Sie öffnete die Tür und sah nach draußen in den Himmel. Die Sonne würde erst in einer Stunde untergehen. Wenn die Fähre also pünktlich angekommen und die See im Governor’s Channel nicht zu rau war, müsste Jim in zehn Minuten am Kai anlegen, und sie würden diese neue Familie noch bei Tageslicht in der Hütte unterbringen können. Aber für alle Fälle nahm sie die Taschenlampe vom Tresen mit.
    »Hallo Grim.« Hood, ihr ältester Enkel (wenn man denn die zwei Minuten, die er früher auf die Welt gekommen war als sein Zwillingsbruder, gelten lassen wollte), erschien in der Tür. »Bist du fertig zum Aufbruch?«
    Selbst in dem gedämpften Licht konnte sie seine grünen Augen sehen, die genauso aussahen wie die seines Vaters und die seines Großvaters.
    »Ja, ich bin so weit«, sagte sie. »Lass mich nur noch mal schnell den Eintopf umrühren.«
    Hood verdrehte die Augen: »Nun komm schon. Wir wollen da sein, wenn sie ankommen.«
    »Du wirst da sein«, erwiderte sie. »Hier.« Sie reichte ihm die Taschenlampe und sah sich suchend in der Küche nach ihrem Holzlöffel um, den sie schließlich im Spülbecken fand. Sie wusste, dass die Zwillinge aufgeregt waren. Seit Sally Lewis vor drei Jahren weggezogen war, hatte es kein Kind in ihrem Alter mehr auf Sounder gegeben.
    »Wo ist dein Bruder?«
    »Der wartet im Wagen. Lass uns gehen!«
    Betty hob den Deckel von der gusseisernen Pfanne und rührte den Eintopf langsam und vorsichtig um. Sie plante, diese Susannah und ihre Kinder an diesem Abend zu verköstigen und ihnen ein paar Vorräte für das Frühstück am nächsten Morgen zu geben. Sie würde wetten, dass Susannah, die es gewohnt war, rund um die Uhr geöffnete Lebensmittelläden, Gemischtwarenläden und Restaurants in ihrer Nähe zu haben, gar nicht auf die Idee gekommen war, Lebensmittelvorräte für einen oder zwei Tage mitzubringen. Na gut. Betty hatte ebenfalls nicht daran gedacht, als sie ihre erste Nacht auf Sounder verbracht hatte. Sie und Bill waren mit wenig mehr als zwei Sandwiches, ihren Reisetaschen und der Wut auf den jeweils anderen im Hafen angekommen. Susannah würde früh genug lernen, dass man nichts voraussetzen konnte, wenn man an einem Ort wie diesem lebte.
    » Grim «, mahnte Hood. Die Jungs nannten sie »Grim«, seit sie sprechen konnten, ein von Jim, ihrem findigen Sohn, geprägtes Kosewort, als sie sich dagegen verwahrte, »Grandma« oder »Gram« genannt zu werden. »Können wir jetzt los?«
    »Wozu die Eile?« Sie tauchte den Löffel in den Eintopf, schöpfte ein wenig von der Brühe zum Probieren ab, hob den Löffel an ihre Lippen und blies, damit sie abkühlte. Sie neckte ihn, und er wusste es. Sie war fast genauso aufgeregt über die Ankunft der neuen Mieter wie er. Susannahs Miete würde das geringe Einkommen von Betty ordentlich aufstocken, und um ehrlich zu sein, fühlte sich Betty ein wenig einsam, seit die Ferien zu Ende waren, Jim wieder unterrichtete und auch die Jungs den ganzen Tag in der Schule verbrachten. Zudem war Fiona, ihre Schwiegertochter, fort. Es würde gut sein, Susannah in der Nähe zu haben. Und da Susannah ohne ihren Mann hier sein würde, war es wahrscheinlich, dass auch sie sich einsam fühlen würde.
    »Gut«, sagte sie zu Hood. »Lass uns aufbrechen.«
    Sie stiegen in den Pick-up. Hood fuhr, auch wenn er erst vierzehn war, weil man das auf Sounder halt so machte. Betty fuhr nicht mehr gern, und Hood und Baker beherrschten es beide gut genug.
    Der Wagen rumpelte die unbefestigte Straße entlang. Zwischen Hütte und Hauptstraße mussten sie drei Gatter passieren, wobei die Hauptstraße selbst auch nicht viel mehr war als ein Weg aus festgestampfter Erde, deren Löcher man mit Schotter aufgefüllt hatte. Vor jedem Gatter hielt Hood den Pick-up an, und Baker sprang hinaus, um das Tor zu öffnen. Hood fuhr langsam
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