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Das Leuchten der Insel

Das Leuchten der Insel

Titel: Das Leuchten der Insel
Autoren: Kathleen McCleary
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Kopfhörers weiterhin in den Ohren behielt, was Susannah unendlich ärgerte.
    »Warum Sounder?«, erwiderte Susannah. Sie sah aus dem Steuerhausfenster auf die sanften Wogen des graugrünen Meeres und hielt sich mit beiden Händen an den Rändern ihres Sitzes fest. »Ich bin ein Shackleton-Fan«, sagte sie dann und wandte sich zu Jim. »Ich liebe Abenteuergeschichten über ein Leben unter extremen Bedingungen – die »Donner-Party« oder die Überlebenden des Flugzeugabsturzes in den Anden oder dieser Mann, der im Zweiten Weltkrieg all die Tage im Rettungsboot überlebte und im Kriegsgefangenenlager eingesperrt war.«
    Jim hob die Augenbrauen: »Und Sie glauben, dass das Leben auf Sounder so ist?«
    »Nein, natürlich nicht«, erwiderte Susannah. »Aber es ist zumindest anders, hinreichend anders als das Leben, das wir gewohnt sind.«
    Zum ersten Mal hatte sie in einem Artikel in der New York Times vor einigen Jahren etwas über Sounder gelesen, und sie hatte ihn ausgeschnitten, unter »Dinge, die ich mag« abgeheftet und den Ordner in einer Schublade ihres Schreibtischs aufbewahrt. Es erinnerte sie an die kleine Insel in der Mitte des Fox River in Nordmichigan, ihre ersehnte Zuflucht. Als Katie dann begann sich so verrückt aufzuführen und Susannah anfing, darüber nachzudenken, sie wegzubringen – zu ihrer Mutter nach Michigan oder zu ihrem Bruder Jon nach Seattle –, erinnerte sie sich an Sounder, den kompletten Gegensatz zu Tilton.
    »Leider muss ich Sie enttäuschen«, meinte Jim. »Wir haben sehr wenig Schnee, und wir haben bisher auch in harten Zeiten noch nicht die Körper unserer Nachbarn gegessen.«
    »Noch nicht mal die Dicken?«, fragte Susannah lächelnd.
    Jim lachte: »Nein, noch nicht einmal die Dicken.«
    »Aber Sounder ist anders«, insistierte Susannah. »Kein Strom, kein Fernsehen, kein Festnetztelefon – quasi unplugged im Vergleich zu der Art, wie wir leben.«
    »Vor der Zeit des Internets war es noch entschiedener anders«, erwiderte Jim. »Und der Handys. Viele Inselbewohner haben inzwischen Satellitenschüsseln, die sie mit beidem verbinden.«
    »Prima!«, rief Quinn.
    »Freu dich nicht zu sehr!«, bremste ihn Jim. »Sobald es regnet, verlieren wir die Verbindung. Und es regnet oft.«
    »Was macht man an Halloween?«, fragte Quinn. Die Frage beschäftigte ihn ganz besonders, da Halloween schon in ein oder zwei Wochen war. Er dachte, dass er mit seinen elf Jahren möglicherweise das letzte Mal von Haus zu Haus gehen und Süßigkeiten einfordern konnte, und jetzt zogen sie auf eine Insel mit nur fünfundsiebzig Menschen, die in kilometerweit auseinanderliegenden Häusern wohnten.
    »Wir benutzen Golfcarts«, antwortete Jim. »Viele Leute auf der Insel besitzen elektrische Golfcarts, und die Kinder fahren mit ihnen von Haus zu Haus, um sich ihre Süßigkeiten abzuholen.«
    »Wirklich?« Quinn strahlte. »Aber Sie haben doch keinen Strom. Wie laden Sie die Carts auf?«
    »Wir haben Generatoren und Solarkraft.«
    »Warum haben alle Golfcarts?«
    »Wir haben keine Benzintankstelle. Um auf Sounder ein Auto mit Benzin vollzutanken, muss man mit einem Boot rüber nach Orcas oder Friday Harbor fahren, was eine oder zwei Stunden dauern kann, einen Kanister mit Benzin füllen, den Kanister wieder mit dem Boot zurücktransportieren, was erneut ein oder zwei Stunden dauert, und ihn dann vom Dock zum Auto bringen. Glaub mir, das lässt dich lange und intensiv über jede Fahrt nachdenken, die du unternimmst. Darum haben wir die Motorräder. Die verbrauchen rund viereinhalb Liter auf hundert Kilometer. Die Jungs lieben es, damit zu fahren.«
    Katie zog die Stöpsel aus ihren Ohren. »Wie alt sind Ihre Jungs?«, fragte sie.
    Susannah bemerkte, dass Katie zweifellos die gesamte Unterhaltung mitgehört hatte.
    »Vierzehn«, sagte Jim. »Es sind Zwillinge. Hood und Baker.«
    »Hood und Baker? Mögen Sie die Berge?«, frage Quinn.
    »Ja. Zum Glück haben wir kein Mädchen, nicht? Sonst hätte sie noch einen Namen wie ›St. Helen‹ verpasst bekommen.« Er grinste Katie an.
    »Oder Shasta«, meinte Quinn. »Der liegt auch im Kaskadengebirge.«
    »Oder Shasta«, bestätigte Jim, riss die Augen auf und nickte Quinn zu, um zu zeigen, dass er beeindruckt war. »Ich mag es, wenn ein junger Mann seine Berge kennt.«
    »Mein Dad ist Geologe«, erklärte Quinn.
    »Wieso dürfen Ihre Jungs Motorrad fahren, wenn sie erst vierzehn sind?«, fragte Katie. »Muss man dafür nicht sechzehn sein?«
    Jim zuckte die Achseln:
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