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Neubeginn in Virgin River

Neubeginn in Virgin River

Titel: Neubeginn in Virgin River
Autoren: Robyn Carr
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1. KAPITEL
    B linzelnd sah Mel in die Dunkelheit und den Regen hinaus, während sie die schmale, kurvenreiche Straße entlangschlich, die von dunklen Bäumen überschattet wurde und durch die Nässe sehr rutschig war. Und zum hundertsten Mal fragte sie sich: Bin ich jetzt völlig verrückt geworden? Dann vernahm sie einen dumpfen Aufschlag, als das rechte Hinterrad ihres BMW von der Straße auf den Seitenstreifen abrutschte und im Matsch versank. Schlingernd kam der Wagen zum Stillstand. Sie trat aufs Gaspedal, um den Wagen wieder auf die Straße zu bringen, doch außer dass die Räder durchdrehten, passierte nichts.
    Ihr erster Gedanke war: Jetzt habe ich alles vermasselt.
    Sie schaltete die Deckenbeleuchtung an und sah auf ihr Handy. Schon über eine Stunde hatte sie keinen Empfang mehr, seitdem sie von der Bundesstraße abgebogen und in die Berge gefahren war. Genauer gesagt, war es mitten in einer recht lebhaften Diskussion mit ihrer Schwester Joey, als die steilen Berge und die unglaublich hoch aufragenden Bäume das Signal abgeblockt und die Verbindung unterbrochen hatten.
    „Ich kann nicht fassen, dass du das wirklich tust“, hatte Joey gesagt. „Ich hatte gehofft, du würdest noch zur Besinnung kommen. Das bist doch nicht du, Mel! Du bist einfach kein Mädel vom Lande!“
    „Ach? Nun, wie es aussieht, werde ich das wohl sein. Ich habe den Job angenommen und alles verkauft, damit ich nicht in Versuchung gerate zurückzugehen.“
    „Hättest du nicht einfach mal eine Auszeit nehmen oder vielleicht an eine kleine Privatklinik gehen können? Einfach mal versuchen, in Ruhe über alles nachzudenken?“
    „Ich will bloß, dass alles anders wird“, hatte Mel entgegnet. „Ich will niemals wieder mit so einem Kriegsschauplatz zu tun haben, wie es dieses Krankenhaus war! Natürlich kann ich es bloß vermuten, aber ich gehe davon aus, dass ich hier in den Wäldern nicht mehr so oft gerufen werde, um ein Crack-Baby zur Welt zu bringen oder Schusswunden zu versorgen. Die Frau sagte, dass Virgin River ein ruhiger und sicherer Ort ist und dass hier nicht viel passiert.“
    „Und dann sitzt du im Wald fest. Weit und breit kein Coffeeshop. Und man wird dich mit Eiern und Schweinshaxen bezahlen und …“
    „Und keine Patientin wird mir mehr in Handschellen vorgeführt und von einem Gefängnisbeamten bewacht.“ Bei dem Gedanken atmete Mel tief durch und lächelte sogar. Dann sagte sie: „Schweinshaxen? Oh … oh … Joey, gleich bin ich wieder unter den Bäumen. Kann sein, dass die Verbindung abbricht …“
    „Warte noch! Es wird dir leidtun. Du wirst es bedauern. Es ist verrückt und unüberlegt und …“
    An diesem Punkt gab es dann, Gott sei Dank, kein Funksignal mehr. Joey hatte ja recht. Mit jeder weiteren Meile zweifelte Mel zunehmend daran, ob ihre Flucht aufs Land die richtige Entscheidung war.
    Nach jeder Kurve war die Straße schmaler geworden und der Regen ein wenig stärker. Es war erst sechs Uhr, aber bereits stockdunkel. Die Bäume standen so dicht und hoch beieinander, dass nicht einmal mehr die sinkende Nachmittagssonne hindurchscheinen konnte. Natürlich gab es auf dieser kurvigen Strecke auch keinerlei Straßenbeleuchtung. Der Wegbeschreibung nach müsste sie sich in der Nähe des Hauses befinden, wo sie ihre neue Arbeitgeberin treffen sollte, aber sie wagte nicht, ihr im Matsch stecken gebliebenes Auto zu verlassen und zu Fuß zu gehen. Schließlich könnte sie sich in diesem Wald verlaufen und für immer verloren gehen.
    Stattdessen fischte sie die Bilder aus ihrer Aktentasche. Sie wollte versuchen, sich ein paar der Gründe, weshalb sie diesen Job angenommen hatte, ins Gedächtnis zu rufen. Da waren Fotos, die ein idyllisches kleines Dorf zeigten. Die holzverschalten Häuser besaßen eine Frontveranda und Giebelfenster. Da war ein altmodisches Schulhaus abgebildet, ein Kirchturm, Stockrosen, Rhododendronbüsche und Apfelbäume in voller Blütenpracht. Nicht zu vergessen die sattgrünen Wiesen, auf denen Vieh graste. Es gab ein Konditorei-Café, einen kleinen Lebensmittelladen, eine kleine freistehende Bücherei, die nur aus einem Raum bestand, und das hinreißende Ferienhäuschen im Wald, das ihr gemäß Arbeitsvertrag für ein Jahr mietfrei zur Verfügung stehen würde.
    Der Ort war umgeben von fantastischen Sequoia-Redwoods und Nationalparks, die sich Hunderte von Meilen weit über die Wildnis der Trinity- und Shasta-Gebirge hinweg erstreckten. Der Virgin River, dem das Dorf seinen Namen
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