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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Strout
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sorgen. Neffe von Jim Burgess unter Anklage … «
    »Hat er jemanden umgebracht?«, fragte Bob.
    Jim schaute auf. »Hast du sie nicht mehr alle?«, fragte er im selben Moment, als Helen vorsichtig sagte: »Eine Prostituierte?«
    Jim schüttelte den Kopf, heftig, als wäre ihm Wasser ins Ohr gekommen. Er sah Bob an und sagte: »Nein, er hat niemanden umgebracht.« Er sah Helen an und sagte: »Nein, die Person, die er nicht umgebracht hat, war keine Prostituierte.« Dann richtete er den Blick zur Decke, schloss die Augen und sagte: »Unser Neffe Zachary Olson hat einen tiefgefrorenen Schweinekopf durch die Tür einer Moschee geworfen. Zur Gebetszeit. Mitten im Ramadan. Susan sagt, Zach hätte keine Ahnung, was Ramadan ist, was ich ihr unbesehen glaube – Susan wusste es auch nicht, bevor sie es in der Zeitung gelesen hat. Der Schweinekopf war blutig, halb aufgetaut, er hat ihnen den Teppich besudelt, und sie haben kein Geld, um einen neuen zu kaufen. Sie müssen ihn siebenmal reinigen lassen, so schreibt es das heilige Gesetz vor. Noch Fragen?«
    Helen sah Bob an. Verwirrung schlich sich in ihre Züge. »Warum soll das für Schlagzeilen sorgen, Jim?«, fragte sie schließlich leise.
    »Kapierst du’s nicht?«, fragte Jim genauso leise, indem er sich zu ihr drehte. »Es fällt unter Hassverbrechen, Helen. Genauso gut könntest du am Sabbat rüber nach Borough Park gehen, in eine jüdisch-orthodoxe Synagoge eindringen und alle dort zwingen, Eiscreme und Speckschwarten zu essen.«
    »Ach so«, sagte Helen. »Das war mir nicht klar. Das wusste ich nicht über die Moslems.«
    »Sie verfolgen es als Hassverbrechen?«, fragte Bob.
    »Sie wollen es offenbar in jeder nur denkbaren Weise verfolgen. Das FBI ist schon eingeschaltet. Die Generalstaatsanwaltschaft erwägt eine Klage wegen Verletzung der Bürgerrechte. Susan sagt, es kommt landesweit in den Nachrichten, aber sie ist so durch den Wind, dass ich darauf nicht unbedingt viel gebe. Offenbar war irgendein CNN -Reporter zufällig in der Stadt, hat die lokale Berichterstattung gehört und fand die Geschichte so prickelnd, dass er sie aufgegriffen hat. Wie kommt jemand zufällig nach Shirley Falls?« Jim nahm die Fernbedienung, richtete sie auf den Fernseher, warf sie dann neben sich aufs Polster. »Das hat mir jetzt grade noch gefehlt. O Mann, das hat mir noch gefehlt.« Er fuhr sich mit beiden Händen übers Gesicht, durch die Haare.
    »Behalten sie ihn in U-Haft?«, fragte Bob.
    »Sie haben ihn noch gar nicht festgenommen. Sie wissen nicht, dass es Zach war. Sie fahnden nach irgendwelchen Rowdys, dabei war es nur der hirnamputierte kleine neunzehnjährige Zach. Zach, Sohn von Susan.«
    »Wann ist es passiert?«, fragte Bob.
    »Vorgestern Abend. Laut Zach, also laut Susan, hat er es allein gemacht, als ›Gag‹.«
    »Als Gag?«
    »Als Gag. Nein, entschuldige, als ›blöder Gag‹. Ich berichte nur, Bob. Er rennt weg, keiner sieht ihn. Angeblich. Dann hört er es heute in sämtlichen Nachrichten, kriegt es mit der Angst und beichtet es Susan, als sie von der Arbeit heimkommt. Sie ist ausgerastet, verständlicherweise. Ich habe ihr gesagt, sie soll jetzt gleich mit ihm zur Polizei, er muss sich auch zu nichts äußern, aber sie traut sich nicht. Sie hat Angst, dass sie ihn über Nacht einsperren. Sie sagt, sie unternimmt gar nichts, bevor ich nicht da bin.« Jim ließ den Oberkörper nach hinten sacken, beugte sich dann gleich wieder vor. »Mann, Mann, Mann. So eine Scheiße .« Er sprang auf die Füße, fing an, vor den vergitterten Fenstern auf und ab zu laufen. »Der Polizeichef heißt Gerry O’Hare. Nie gehört. Susan sagt, sie ist in der Highschool mal mit ihm gegangen.«
    »Er hat sie nach dem zweiten Date abserviert«, sagte Bob.
    »Gut. Dann ist er jetzt vielleicht nett zu ihr. Immerhin überlegt sie, ob sie ihn morgen früh anruft und ihm sagt, dass sie mit Zach kommt, sobald ich da bin.« Jim hieb im Vorbeigehen mit der Faust auf die Armlehne des Sofas. Er setzte sich wieder in seinen Schaukelstuhl.
    »Hat er schon einen Anwalt?«, fragte Bob.
    »Ich muss einen suchen.«
    »Kennst du denn niemanden bei der Generalstaatsanwaltschaft?«, fragte Helen. Sie zupfte eine Fluse von ihrer schwarzen Strumpfhose. »Die Fluktuation da oben wird ja wohl kaum sehr stark sein.«
    »Den Generalstaatsanwalt selbst kenne ich.« Jims Stimme war laut, er schaukelte heftig vor und zurück, die Hände sehr fest auf den Armlehnen. »Wir waren vor Jahren zusammen Ankläger bei der
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