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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Strout
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Zwillinge können nicht schlafen. Aber Zwillinge sind auf ganz eigene Weise verbunden. Zwischen sie passt, mit etwas Glück, kein Blatt. »… ihn umbringen«, sagte Susan gerade am Telefon. »Ihn an den Zehennägeln aufhängen.«
    »Komm, komm, Susan, er ist doch dein Sohn.« Bob hatte die Schreibtischlampe angeknipst; er stand da und sah auf die Straße hinaus.
    »Ich rede von dem Rabbiner. Und dieser komischen Trulla von den Unitariern. Die haben eine Erklärung abgegeben. Nicht nur die Stadt ist durch diese Sache beschädigt, sondern der ganze Staat. Nein, was sage ich da, das ganze Land. «
    Bob rieb sich den Nacken. »Hör mal, Susan. Wieso macht Zach so was?«
    »Warum er so was macht? Wann hast du zum letzten Mal ein Kind großgezogen, Bob? O ja, ich weiß, wir müssen taktvoll sein und deine trägen Spermien oder nicht-existenten Spermien oder was auch immer nicht erwähnen, und ich hab’s ja auch nie gemacht, nicht ein Wort hab ich drüber verloren, dass Pam dir vielleicht den Laufpass gegeben hat, um mit einem anderen Kinder zu kriegen … Mist, jetzt bringst du mich auch noch dazu, solche Sachen zu sagen, wo ich weiß Gott andere Sorgen hab!«
    Bob wandte sich vom Fenster ab. »Susan, hast du irgendwelche Tabletten, die du nehmen kannst?«
    »Zyankali, meinst du?«
    »Valium.« Bob fühlte eine bodenlose Traurigkeit in sich aufwallen, und er ging mit dem Telefon ins Schlafzimmer zurück.
    »Ich nehme nie Valium.«
    »Dann fang jetzt damit an. Dein Arzt kann dir telefonisch welches verschreiben. Damit du heute Nacht wenigstens schläfst.«
    Susan antwortete nicht, und Bob wurde klar, dass seine Traurigkeit in Wahrheit Sehnsucht nach Jim war. Denn letztlich (und Jim wusste das ganz genau) hatte Bob keine Ahnung, was er tun sollte. »Dem Jungen kann nichts passieren«, sagte Bob. »Niemand will ihm etwas anhaben. Oder dir.« Bob setzte sich aufs Bett, stand wieder auf. Er hatte wirklich nicht die leiseste Ahnung, was er tun sollte. Für ihn würde es heute Nacht keinen Schlaf geben, nicht mal mit Valium, und er hatte reichlich. Nicht, während sein Neffe in der Tinte saß und diese arme Frau unter ihm einsam vor ihrem Fernseher und ihr Schnösel im Kittchen. Und Jimmy sich davonmachte auf irgendeine Insel. Bob wanderte wieder in den vorderen Teil seiner Wohnung, knipste die Schreibtischlampe aus.
    »Eine Frage«, hörte er seine Schwester sagen.
    In der Dunkelheit draußen hielt auf der anderen Straßenseite ein Bus. Eine alte schwarze Frau sah mit steinerner Miene aus dem Fenster, ein Mann weiter hinten wippte mit dem Kopf, vielleicht zu irgendwelchen Rhythmen aus seinen Ohrstöpseln. Sie wirkten unfassbar arglos und fern …
    »Bildest du dir ein, das hier ist ein Film?«, fragte seine Schwester. »So ein gottverlassenes Nest am Arsch der Welt, wo die Farmer zum Gefängnis marschieren und seinen Kopf auf einer Stange fordern?«
    »Was redest du da?«
    »Ich bin ja so froh, dass Mommy nicht mehr da ist. Sie würde gleich noch mal sterben, das sag ich dir.« Susan weinte jetzt.
    Bob sagte: »Der Sturm legt sich auch wieder.«
    »Verflixt und zugenäht, wie kannst du das sagen? Es kommt auf allen Sendern.«
    »Schalt die Kiste aus«, riet Bob ihr.
    »Hältst du mich für verrückt, oder was?«, wollte sie wissen.
    »Ein bisschen. Vorübergehend.«
    »Sehr hilfreich, danke. Hat Jimmy dir erzählt, dass ein kleiner Junge in der Moschee umgekippt ist, so hat der Schweinekopf ihn erschreckt? Er fing schon an aufzutauen, deshalb war er blutig. Ich weiß genau, was du jetzt denkst. Was ist das für eine Mutter, die nicht mal merkt, wenn ihr Sohn ihr einen Schweinekopf in die Gefriertruhe steckt und dann so was macht? Das denkst du, Bob, streite es gar nicht erst ab. Und das macht mich verrückt. Wie du selber gerade festgestellt hast.«
    »Susan, du hast doch … «
    »Man rechnet mit allem Möglichen bei seinen Kindern, weißt du? Nein, weißt du natürlich nicht. Autounfälle. Die falsche Freundin. Schlechte Noten, alles. Aber doch nicht so ein Rambazamba wegen irgendwelchen bescheuerten Moscheen.«
    »Morgen bin ich da, Susan.« Das hatte er ihr gleich zu Anfang gesagt. »Wir bringen ihn zusammen hin. Wir halten das klein, mach dir keine Sorgen.«
    »Nein, worum auch«, sagte sie. »Gute Nacht.«
    Wie Hund und Katze! Bob öffnete das Fenster einen Spalt, klopfte eine Zigarette aus der Packung, schenkte sich ein Wasserglas mit Wein voll und setzte sich auf den metallenen Klappstuhl beim Fenster. In dem Haus
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