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Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)

Titel: Das Leben, natürlich: Roman (German Edition)
Autoren: Elizabeth Strout
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lächelten im Vorbeigehen kurz zu ihnen hin. Dann umarmte Zach Bob, und Bob meinte eine neue Robustheit an dem jungen Mann zu spüren. Als sie sich voneinander lösten, ließ er die Hände auf Zachs Schultern liegen und sagte: »Gut schaust du aus.«
    Trotzdem sah er natürlich nach wie vor wie Zach aus. Frische Pickel punkteten seine Stirn oben am Haaransatz, gut sichtbar, weil er sich ständig die Haare nach hinten strich. Und obwohl er zugenommen hatte, wirkte er immer noch schlaksig und unbeholfen. Neu war die Lebhaftigkeit in seinem Gesicht. »Schon krass, Mann. Voll krass, oder?«, sagte er immer wieder, als sie zum Auto gingen. Worauf Bob nicht gefasst war – und Susan vermutlich auch nicht – , war die Tatsache, dass er redete. Und redete. Er erzählte von den hohen Steuern, die man in Schweden zahlen musste, sein Vater hatte ihm das erklärt, aber dafür gab es auch alles, was man brauchte, Krankenhäuser, Ärzte, perfekt ausgerüstete Feuerwachen, saubere Straßen. Er erzählte, dass die Leute enger zusammenwohnten, sich viel mehr umeinander kümmerten als hier. Er erzählte, wie hübsch die Mädchen waren, das glaubst du gar nicht, Onkel Bob. Umwerfende Mädchen, wo man hinschaute, am Anfang hatte er sich als kompletter Loser gefühlt, aber sie waren alle nett zu ihm. Ob er zu viel redete? Das fragte er allen Ernstes.
    »Himmel, nein«, sagte Susan.
    Aber das Haus ließ ihn zögern, das sah Bob. Er stand da, kraulte dem Hund den Kopf, blickte hin und her und sagte: »Es ist alles wie immer. Aber irgendwie auch nicht.«
    »Ich weiß«, sagte Susan. Sie lehnte sich an einen Sessel. »Du bist nicht verpflichtet, hierzubleiben, Schatz, du kannst zurückfahren, wann immer d u willst.«
    Zach fuhr sich mit den Fingern durchs Haar, grinste seine Mutter linkisch an. »Oh, aber ich will ja hier sein. Ich sag nur, dass es irgendwie krass ist.«
    »Na, für immer bleibst du ja sowieso nicht«, sagte Susan. »Das wäre nicht normal. Und die jungen Leute gehen alle aus Maine weg. Es gibt keine Stellen.«
    »Susie«, sagte Bob, »sei nicht so pessimistisch. Wenn Zach in die Geriatrie geht, kann er ewig hier arbeiten.«
    »He, ihr zwei, was ist eigentlich mit Onkel Jim?«
    »Der hat zu tun«, sagte Bob. »Schwer zu tun, hoffen wir.«
    An der Ostküste war es schon lange Nacht geworden. Über der Stadt Lubec in Maine war die Sonne als Erstes untergegangen, dann über Shirley Falls und von da zügig die Küstenlinie hinab: Massachusetts, Connecticut, New York; dunkel war es, als der Bus, in dem Jim Burgess saß, in den Schlund des Port Authority Busbahnhofs einfuhr, dunkel schon seit Stunden, als Jim aus dem Fenster des Taxis starrte, das ihn über die Brooklyn Bridge trug. Abdikarim hatte sein letztes Gebet für den Tag verrichtet und dachte an Bob Burgess, der jetzt gewiss daheim bei dem dunkeläugigen Jungen war – dem Jungen, der sich in diesem Augenblick zu seiner Mutter umdrehte und sagte: »Mann, das Zimmer hier gehört echt neu gestrichen.« Bob war nach unten gegangen, um den Hund hinauszulassen, und stand auf der Veranda in der Kälte. Der Himmel war mondlos, sternenlos. Unfasslich, wie dunkel es war. Er dachte an Margaret, verwundert und doch ganz einverstanden mit seinem Schicksal. Er hatte nie – nie – für möglich gehalten, dass er nach Maine zurückkehren könnte. Sekundenlang schauderte ihn bei der Vorstellung: dicke Pullover tagaus, tagein, Schneestollen unter den Stiefeln, klamme Zimmer. Er war davor geflohen, genau wie Jim. Und dennoch fühlte sich das, was ihn erwartete, nicht fremd an, und genau das machte das Leben ja aus, dachte Bob. An Jim dachte er weniger konkret – es schien eher ein inneres Aufwallen, so endlos wie die Schwärze des Himmels. Er rief den Hund und ging wieder nach drinnen. Als Bob auf Susans Couch einschlief, hielt er in beiden Händen – ganz fest, die ganze Nacht – sein Telefon, auf Vibrationsalarm geschaltet, falls Jim ihn brauchte, aber das Telefon brummte nicht und blinkte nicht und blieb auch dann noch still und stumm, als sich das erste blasse Licht ungerührt unter den Jalousien hindurchzwängte.

Danksagung
    Die Autorin dankt folgenden Menschen, die ihr beim Schreiben dieses Buches eine große Hilfe waren: Kathy Chamberlain, Molly Friedrich, Susan Kamil, Lucy Carson, Benjamin Dryer, Jim Howaniec, Trish Riley und Peter Schwindt sowie Jonathan Strout und dazu all den vielen Leuten, die dabei geholfen haben, die vielfältigen Belange einer neu eingewanderten
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