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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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Behauptungen, dass die Philosophie »vom Lernen der Sprachen abhalte, den Kopf mit unnötigen Grübeleien erfülle und den Körper durch Nachdenken schwäche« , warnte sowohl davor, alles besser wissen zu wollen, als auch allem Althergebrachten ohne Prüfung Glauben zu schenken, um zum Schluss den Hofer Mitbürgern weiszumachen, dass das Philosophieren ihnen auch Vorteile bringen könne. »Und gesetzt, es gäbe einen, dem das Erkennen der Wahrheit kein Ergötzen verschaffte, in dessen übereisten Herzen kein Funke Wahrheitsliebe mehr glimmte, – gesetzt, er wäre gegen dieses alles unempfindlich, so wird ihn doch sein eigner Vorteil und seine Eigenliebe bewegen, die Philosophie, die verehrungswürdigste der Wissenschaften, zu treiben« , lautet sein letzter Satz.
    Die Philosophie, die sein Leben immer begleiten sollte, war auch Thema der Rede, die er 1780 zum Abschluss seiner Schulzeit hielt. »Über den Nutzen und Schaden der Erfindung neuer Wahrheiten« unterrichtete er nun seine Zuhörer, die er nach den Regeln der Ständegesellschaft mit »nach Stand und Würden allerseits höchst- hoch- und wertgeschätzte Anwesende!« anredete und ihnen mit aller gebotenen Vorsicht klarzumachen versuchte, dass auch in Philosophie und Theologie ein Fortschreiten möglich und nötig sei. Zwar seien einerseits »all die Voltaire’s, die Hume’s, die Lamettrie’s und ihre ganze Reih’« nur dazu nützlich, den wahren Denkern Anlass zur Verteidigung der Religion zu geben, doch müsse man andererseits auch jene verwerfen, die glaubten, dass alles Althergebrachte unwiderleglich sei. »Wenn nun alle so gedacht hätten, wären wir iezt noch auf dem Punkt, wo Noah und seine Söhne in den Wissenschaften standen.« Nur müsse man sich davor hüten, in der Begierde nach Neuerungen zu weit zu gehen.
    Aus diesen Tagen des Schulabschlusses im Oktober 1780 ist auch der Schluss eines Briefes überliefert, der den altklugen Redner von seiner anderen, nämlich der gefühlvollen Seite zeigt. Da wird das Ende von Kindheit und Schulzeit betrauert, an Mondscheinnächte an der Saale erinnert, Abschiedsschmerzen vorweggenommen, Sterbegedanken erwogen, und bei der Anspielung auf Sternes »Empfindsame Reise« werden Tränen geweint. Es ist der erste von den etwa fünftausend Briefen und Briefkonzepten, die von Jean Paul erhalten geblieben sind. Gerichtet war dieser Brief an den Freund Adam Lorenz von Oerthel, den ältesten Sohn eines wohlhabenden und als geizig verschrienen Hofer Kaufmanns, der erst 1774 mit den nördlich von Hof gelegenen Gütern Töpen, Hohendorf und Tiefendorf zusammen den Adel erworben hatte und mit dem kränkelnden Sohn, der, statt Geschäftssinn zu entwickeln, für empfindsame Dichtungen schwärmte, höchst unzufrieden war. Während Fritz Richter bei den Großeltern wohnte, stand Oerthel, dessen Eltern auf der Besitzung in Töpen lebten, ein Gartenhaus an der Saale zur Verfügung, von dem aus ein Blick auf die Flussniederung zu genießen war. Hier saßen die Freunde oft bei Gesprächen, Gesang und Klavierspiel zusammen und schwelgten in Mondscheinnächten in ihren verworrenen Gefühlen, in denen sich Sehnsucht nach Liebe mit literarisch inspirierter Naturschwärmerei und Todesahnung verband. Oerthel hatte an der unglücklichen Liebe zu einer Amtmannstochter aus dem benachbarten Dorf Venska zu leiden, Richter dagegen war nur mit Büchern beschäftigt, schrieb in dieser Zeit aber eine Liebesgeschichte, die der Liebeskummer des Freundes vielleicht angeregt hatte, die mit Sicherheit aber Frucht seiner Lektüre war.
    Der missglückte kleine Roman, der nur den Freunden bekannt wurde, gehörte zu der Flut von literarischen Ergüssen, die Deutschland überschwemmt hatte, nachdem 1774 Goethes Roman »Die Leiden des jungen Werthers« erschienen war. Dieses Buch hatte den bürgerlichen Lebensstil so nachhaltig beeinflusst, dass besonders die jungen Leute wie Werther zu fühlen und zu denken versuchten, in seinem Stil Briefe schrieben und sich auch kleideten wie er. Da auch Selbstmorde in Werthers Manier vorkamen, fühlten sich Pastoren zu Predigten gegen das Buch verpflichtet, der Berliner Aufklärer Friedrich Nicolai schrieb eine witzlose Parodie gegen das Werther-Fieber, und wie bei jeder literarischen Sensation gab es unter den Schriftstellern Nachahmer, deren erfolgreichster Johann Martin Miller hieß.
    Der Schwabe Miller, der als Student in Göttingen die Dichtervereinigung »Hainbund« mitgegründet und zu Volksliedern gewordene
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