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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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seinen besten Rock gekleidet, den Hut auf dem Kopf und die Reitgerte in der Hand, unter den Augen der Nachbarn dem alten Schimmel näher trat. Obwohl er sich am Vortag schon eingeprägt hatte, von welcher Seite er aufsteigen musste, um reitend nach vorn blicken zu können, misslangen mehrere Versuche hinaufzukommen, und als er endlich saß, die Rockschöße glattgestrichen, die Füße in die Steigbügel geschoben und den Zügel ergriffen hatte, war das Pferd nicht zu bewegen, auch nur einen Schritt vorwärtszugehen. Hiebe mit der Gerte halfen so wenig wie Handschläge der Mutter. Erst als einer der Brüder mit dem Stiel der Heugabel zuschlug, bequemte sich das Tier zu einigen Schritten, blieb aber unter dem Gelächter der Zuschauer am Bach wieder stehen.

Abb.7: Bayreuth, Ansicht von Westen 1809. Gezeichnet von
Johann Gottfried Koeppel, gestochen von Paul Wolfgang Schwarz
    Dieser Ritt, der Richter sauer wurde, hatte ihn von Schwarzenbach zum Konsistorium nach Bayreuth zu bringen, wo er sich die Erlaubnis erwirken wollte, statt sein Studium an der Landesuniversität in Erlangen zu beginnen, ins Ausland, nämlich nach Leipzig zu gehen. Alten feudalen Bräuchen entsprechend musste zum Konsistorium geritten werden, was für den lebenslang bürgerlich Denkenden, der danach nie wieder ein Pferd besteigen sollte, eine Zumutung war. Er wurde ein leidenschaftlicher Fußgänger, der die Anstrengungen tagelanger Märsche besser ertrug als die Strapazen des Reitens oder die der Postkutschen, in denen man den Tücken ungepflasterter Straßen ausgesetzt war. Mühsam mussten sich die Kutschenpferde durch tiefen Sand und aufgeweichten Lehm quälen oder Strecken von Geröll überwinden. Oft ging es so langsam, dass man nebenher gehen konnte. Auf den Poststationen, wo die Pferde gefüttert oder ausgewechselt wurden, musste oft stundenlang gewartet werden, bis die Fahrt in den ungefederten Wagen, die auch dem Lastentransport dienten, wieder weiterging. Auf den oft tagelangen Fahrten saß man eingequetscht zwischen Paketen und Briefsäcken und war dem Staub, der Kälte oder der Hitze ausgesetzt. War man wohlhabend genug, reiste man deshalb lieber mit Extrapost oder der Lohnkutsche – was aber für den Mulus Richter, als er im Mai 1781 zum Studium nach Leipzig reiste, nicht in Frage kam.
    Fünfzehn Jahre vor ihm war Johann Wolfgang Goethe, einen ansehnlichen Wechsel in der Tasche, in einer bequemen Mietkutsche von Frankfurt am Main zum Studium nach Leipzig gefahren, hatte keine Studentenbude, sondern gleich mehrere Zimmer gemietet, sich der neuesten Mode entsprechend eingekleidet, durch Empfehlungsschreiben Zutritt zur besseren Gesellschaft gefunden und mehr als die Wissenschaften das Leben studiert. In der reichen Handelsstadt mit ihren modernen Gebäuden fühlte er sich schnell heimisch, Richter dagegen, der am Wohlstand der Stadt keinen Anteil hatte und in ihrer Umgebung die heimatlichen Berge vermisste, wurde unglücklich in ihr.
    Er war arm und hatte das in Latein auch schriftlich. Das Testimonium Paupertatis, das Armutszeugnis, das ihm der Gymnasialdirektor in Hof ausgestellt hatte, lautete übersetzt so: »Da Armut niemandem zur Unehre gereicht, der nach Reichtum an Tugend trachtet, braucht der wahrlich nicht zu erröten, der um dieses Zeugnis gebeten hat, der vortreffliche Jüngling J. P. Fr. Richter, ein Sohn des ehemaligen Schwarzenbacher Pastors, ein armer, ja ärmster Mensch. Vor einigen Jahren hat ihm der Tod den Vater geraubt, und wenn es nicht sündhaft wäre, Gottes Ratschlüsse zu tadeln, so dürfte man es beklagen, dass gerade dieser und nicht lieber ein anderer den Vater verlieren musste, dem, wenn er länger gelebt hätte, der Sohn gewiss alle Hoffnungen erfüllt haben würde. Denn dieser Jüngling brennt dermaßen von Lernbegierde, dass wir dafür bürgen können, jeder, der Richters Kenntnisse prüfen will, werde sich mit Vergnügen davon überzeugen, dass derselbe nicht nur in Sprachen, sondern vornehmlich in der Philosophie für sein Alter sehr fortgeschritten ist. Er ist also im höchsten Grade würdig, jedem, der dies liest, und besonders den wohllöblichen Professoren der berühmten Universität Leipzig aufs wärmste empfohlen zu werden. Auch wird er ohne Zweifel alle ihm erwiesenen Wohltaten nicht nur dankbaren Sinnes anerkennen, sondern, wenn sich das Glück ihm einmal freundlicher zeigen sollte, auch gebührend erstatten.«
    Das Armutszeugnis bewirkte, dass Richter zu den Theologiestudenten gehörte,
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