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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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Verse wie das noch heute lebendige »Was frag ich viel nach Geld und Gut,/Wenn ich zufrieden bin« gedichtet hatte, war später als Pfarrer und Gymnasiallehrer in Ulm zum Schreiber rührseliger Romane geworden, unter denen »Siegwart, eine Klostergeschichte« die meisten Leser fand. Die etwas verworrene Liebestragödie, die auch Richter und seine Hofer Freunde zu Tränen rührte, endet damit, dass der Titelheld auf dem Grab der Geliebten erfriert.
    Sowohl Goethes »Werther« als auch Millers »Siegwart« führten dem achtzehnjährigen Richter die Feder, als er seine »Abelard und Heloise« betitelte Nachahmung verfasste, an dessen Ende der Versuch des Titelhelden, auch den Kältetod am Grabe der Geliebten zu erleiden, scheitert, und er nun wie Werther zur Pistole greifen muss. »Leb wol! Es schlägt zwölf aus! Lebwol! Oh Mordgewer! zerspalte dieses Gehirn – – – Got! im Himmel steh’ dem leidenden Geschöpf bei! Jesu! erbarme dich bald des Elenden, nim seine Sel’ in deine Hände! Und du, o Geist Heloises! steh mir bei! Bald seh ich! Hilf Vater! Mein Got! Oh! – oh! – – –!«
    Originell ist in dieser ersten erzählenden Arbeit, die erst im 20. Jahrhundert vollständig gedruckt wurde, nur die eigenmächtige Rechtschreibung, die sich Jean Paul erst im 41. Lebensjahr wieder abgewöhnt hat. Nach ihren Regeln, die ihr Erfinder aber nicht immer befolgte, wurde zum Beispiel auf Doppelkonsonanten, Doppelvokale und das Dehnungs-h verzichtet und das j durch ein i ersetzt. Statt Gott schrieb er also Got, statt Gewehr Gewer, aus jetzt wurde iezt und vieles Schrullige mehr. (Zur Erleichterung der Lektüre werden aber auf den folgenden Seiten die Zitate behutsam modernisiert.)
    Von der Orthographie abgesehen war aber alles an dem kleinen Roman den Vorbildern nachempfunden, die der Verfasser in seiner Nachrede auch benennt. Autobiographisches ist wenig in ihm zu finden, sieht man von den oben schon erwähnten Bemerkungen über Lehrer und Schüler ab. Für den Erzähler Jean Paul hatte dieser missglückte Erstling kaum eine Bedeutung. Schon sieben Monate nach seiner Fertigstellung fiel sein Urteil über ihn vernichtend aus. »Dieses ganze Romängen ist ohne Plan gemacht, die Verwicklung fehlt gänzlich und ist alltäglich und uninteressant. Die Charaktere sind nicht so wohl übel geschildert, als gar nicht geschildert. Man sieht von Abelard und von der Heloise nichts als das Herz: man weiss nichts von ihrem Verstande; es ist keine ihrer Neigungen ausgemalt; nicht einmal die Empfindung der Liebe ist wahr dargestellt. Überdies ist alles überspannt …«
    Geschrieben wurde der »Abelard« für den Freund Oerthel im Januar 1781, als Richter für drei Monate zu Mutter und Brüdern nach Schwarzenbach zurückgekehrt war. Da er die Schulzeit beendet, das Studium aber noch nicht begonnen hatte, war er jetzt das, was man damals, nach dem lateinischen Wort für Maultier, einen Mulus nannte, also weder Pferd noch Esel, weder Schüler noch Student. Er hatte also ein Vierteljahr Ferien und nutzte sie zu seinem Vergnügen, was für ihn hieß: er las und schrieb. Seine Lektüre waren weiterhin vor allem philosophische und theologische Werke, die er aus der Bibliothek des Pfarrers Vogel in Rehau entleihen konnte, und neben Exzerpten, die er als Hilfen für künftige Arbeiten aufbewahrte, schrieb er Aufsätze über unterschiedliche Themen, wie den Gottesbegriff, die Religionen der Welt, das Perpetuum mobile oder Narren und Weise, die er dann zu Bänden zusammenfasste und ihnen den Titel »Übungen im Denken« gab. In einem Vorwort, Anzeige genannt, machte er deutlich, dass es sich dabei für ihn tatsächlich nur um Übungen handelte. »Diese Versuche sind nur für mich« , heißt es da. »Sie sind nicht gemacht, um andere etwas Neues zu lehren. Sie sollen mich bloß üben, um’s einmal zu können. Sie sind nicht Endzweck, sondern Mittel – nicht neue Wahrheit selbst, sondern der Weg, sie zu erfinden.«
    Und diese »Übungen«, zu denen dann noch die »Rhapsodien« kamen, nahmen so schnell kein Ende. Ehe aus dem schreibfleißigen jungen Mann, der seine Stoffe nicht aus dem Leben, sondern aus Büchern schöpfte, der Meistererzähler Jean Paul wurde, sollten noch etwa zehn Jahre vergehen.

Reiterstück und Hungertuch
    Falls der erste und letzte Ritt Fritz Richters sich so zugetragen haben sollte, wie es Jean Paul im Kapitel »Reiterstück« seiner »Flegeljahre« beschreibt, war es noch früh am Morgen, als der Mulus, in
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