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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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Erzählens mit.

Abb.4: Schwarzenbach an der Saale. Lithographie 1840
    Das Lesen ließ aber auch den Wunsch nach eigenem Bücherbesitz in ihm wachsen, und da das Geld dazu fehlte, half er sich selbst. Leere Seiten wurden zu kleinen Bänden zusammengeheftet, mit Texten aus Luthers Bibel beschrieben und so eine Bibliothek erschaffen, die dann später in veränderter Form in sein »Schulmeisterlein Wutz« überging. In dieser Erzählung nämlich schreibt sich Wutz, der bitterarm ist wie sein Schöpfer, die für ihn unerschwinglichen Neuerscheinungen, die ihm durch den Leipziger Messkatalog bekannt werden, mit eignen Ideen und eigner Hand selbst. So werden dort Lavaters »Physiognomische Fragmente« in der Version des vergnügten Schulmeisters neu geschrieben, und ein philosophischer Traktat über Zeit und Raum wird durch Wutz zur Abhandlung über Schiffsräume und »die Zeit, die man bei Weibern Mensis nennt« .
    Die Schule in Schwarzenbach war der Joditzer Dorfschule darin ähnlich, dass sie nur einen Klassenraum hatte, in dem ständig das »Schreien, Summen, Lesen und Prügeln« sowohl der Abc-Schützen als auch der Lateiner zu hören war. Ihr Rektor aber, der noch einen Kantor zur Seite hatte, schien dem Pfarrer Richter so vertrauenswürdig, dass er ihm seinen wissensdurstigen Sohn zum Schüler gab. Unterrichtsstoff waren an dieser Schule fast ausschließlich die alten Sprachen, die der Rektor, der Karl August Werner hieß, in einer Methode unterrichtete, die kurz zuvor vom Philanthropen Basedow entwickelt worden war. In ihr wurde das Pauken von Grammatikregeln möglichst bald durch den praktischen Gebrauch der Sprache ersetzt. Während Basedow aber das Lateinische und Griechische im Gespräch zwischen Lehrer und Schüler übte, ging Rektor Werner im Latein gleich zur schwierigen Lektüre des Cornelius Nepos über, ließ im Griechischen das Neue Testament lesen und nahm sich ein Jahr später das Alte Testament auf Hebräisch vor. Fritz, der so lernbegierig war, dass er sich mit »Freuden wie ein Prinz von einem Halbdutzend Lehrer auf einmal« hätte unterweisen lassen, konnte diese Schwierigkeiten freudig und erfolgreich meistern und hatte auch in seiner Freizeit noch Vergnügen daran.
    Bald konnte er das griechische und hebräische Testament mündlich so fließend ins Lateinische übersetzen, dass ihm der Lehrer kaum folgen konnte, und seine Vorliebe für das »hebräische Sprach- und Analysier-Gerümpel und Kleinwesen« verführte ihn wieder dazu, sich selber ein zusammengeheftetes Buch zu schreiben, und zwar eines, das jedes Wort der Bibel, angefangen mit dem ersten »Am Anfang«, sprachwissenschaftlich erklärt. Zwar wurde das riesige Werk bald wieder fallengelassen, aber Spuren davon sind im »Quintus Fixlein« zu finden, wo dieser sich am Suchen nach falsch gedruckten hebräischen Buchstaben erfreut.
    Wichtiger als die Schule aber wurden für den Heranwachsenden zwei junge Theologen, durch die er in Berührung mit modernen Denkrichtungen kam. Sie vertraten nämlich die rationalistische Theologie der Aufklärung, die sogenannte Heterodoxie, die von der offiziellen Kirchenlehre, der Orthodoxie, abwich und für Fritz, der sich bisher in Glaubensfragen nur an der Autorität des Vaters orientiert hatte, eine neue Erfahrung war.
    Der Kaplan Johann Samuel Völkel, ein Amtsbruder des Vaters, fand Freude daran, dessen begabten Sohn zusätzlich zu unterrichten und opferte seine tägliche Mittagspause dafür. Sein Geographieunterricht erschöpfte sich darin, Landkarten aus dem Kopf zeichnen zu lassen, seine theologischen Unterweisungen aber wiesen das Denken des Schülers in die Richtung der Aufklärung, der Jean Paul dann treu blieb sein Leben lang. Er bekam Gottscheds schon etwas angestaubte »Ersten Gründe der gesamten Weltweisheit« zu lesen, in denen der später verspottete Literaturpapst der dreißiger Jahre sein vernunftbestimmtes Christentum ausgebreitet hatte, das für den Schüler »bei aller Trockenheit und Leerheit« doch erhellend war. Noch mehr aber galt das für modernere Theologen wie Jerusalem und Nösselt, die die kirchlichen Dogmen kritisierten und die Erbsündenlehre verdammten, weil die dem Glauben der Aufklärer an die Bildungsfähigkeiten des Menschen widersprach.
    Der zweite für ihn wichtige Theologe, der sich im Laufe der Jahre vom Lehrer zum Freund wandeln sollte, hieß Erhard Friedrich Vogel und war Pfarrer in Rehau, einem benachbarten Dorf. Er war ein fröhlicher Mensch mit umfassender
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