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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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Satirenliteratur der Zeit nachlesen, und auch in Jean Pauls Werken kommt dergleichen vor. Im »Wutz« hat das Schulmeisterlein seinen Posten nur dem Umstand zu danken, dass der Kirchenpatron für seinen Koch, dem er die Stelle eigentlich zugedacht hatte, keinen Ersatz finden konnte, und im »Quintus Fixlein« hängt die Vergabe der Pfarrstelle von einem Hundenamen ab.
    Für Jean Pauls Vater war diese Abhängigkeit selbstverständlich, also kein Grund zur Kritik. »Gleich einem alten lutherischen Hofprediger erkannte er die unabsehliche Größe des Standes wie das Erscheinen der Gespenster an, ohne vor beiden zu beben« , und die Bewunderung, die er der Herrschaft zollte, übte auch in den Kindern das Sichabfinden mit den Gegebenheiten ein. Wenn der Vater von einer Abendmahlsfeier der Herrschaft aus Zedtwitz zurückkam, wurden bei seinen bewundernden Erzählungen über »hohe Personen und deren Hofzeremoniell und über die Hofspeisen und Eisgruben und Schweizerkühe« Frau und Kinder in »das größte ländliche Erstaunen« versetzt. Sie konnten in des Vaters Erzählungen miterleben, wie »er selber aus dem Domestikenzimmer sehr bald zu dem Herrn von Plotho« gebeten wurde, wie er das Fräulein am Klavier unterweisen durfte und »stets seiner Munterkeit wegen zur Tafel gezogen wurde« , wo er dann unter den »bedeutendsten Rittergutsbesitzern des Vogtlandes« saß.
    Einmal aber wurde der Junge, der den ummauerten Pfarrhof nur in Begleitung verlassen durfte, von seinem Vater auf das Schloss mitgenommen, durfte dort, trunken von all der Schönheit, zwischen den Laubengängen und Springbrunnen des Parks umhergehen und vor der hohen Person der Freifrau niederfallen und ihr den Rock küssen – eine Szene, nach der man ermessen kann, welche Gefühle Jean Paul später bewegten, als ihm, dem Dichter, die Ehrfurcht adliger Damen galt.
    So selbstverständlich wie die Abhängigkeit von der Herrschaft war für den Jungen auch die Existenz von Gespenstern. Wenn die Mägde abends beim Spinnen Schauergeschichten erzählt hatten, lag er danach zitternd im Bett, bis sein Vater kam und sich neben ihn legte, und wenn ihm befohlen wurde, am Abend vor einem Begräbnis die Bibel an der aufgebahrten Leiche vorbei durch die dunkle Kirche zu tragen, war der mit überreicher Phantasie begabte Knabe lange völlig verstört. Die Schauerballaden, die damals gedichtet wurden, beschworen nicht vergangene, sondern im Volk noch gegenwärtige Ängste, denn die Aufklärung hatte vorwiegend nur die gebildeten Schichten erreicht. In Berlin wurden zum Schutz bei Gewitter noch bis 1783 die Glocken geläutet, noch gab es Teufelsaustreiber, und als 1775 zum letzten Mal in Deutschland eine Hexe verbrannt wurde, war der Pastorensohn Fritz zwölf Jahre alt.
    Die Dorfschulen, die im Laufe des 18. Jahrhunderts in fast allen deutschen Staaten entstanden waren, lehrten neben den Fähigkeiten des Lesens, Schreibens und Rechnens vor allem Katechismusgebote, Kirchenlieder und Bibelsprüche, denn ihre Aufgabe war nicht, die Schüler zu gebildeten Bürgern zu machen, sondern zu Untertanen, die sowohl nützlich als auch gehorsam sind. Auch die dem Pfarrhaus gegenüberliegende Dorfschule, die der kleine Fritz Richter nicht lange besuchen durfte, wird mehr nicht geboten haben, und doch sehnte sich der Junge, der nun mit seinem Bruder Adam zusammen im Pfarrhaus vom Vater unterrichtet wurde, in die Gemeinschaft der Dorfjugend zurück. Grund dafür war wohl vor allem des Vaters Lehrmethode, die weder kindgemäß noch anschaulich war. »Vier Stunden vor- und drei nachmittags gab unser Vater uns Unterricht, welcher darin bestand, dass er uns bloß auswendig lernen ließ, Sprüche, Katechismus, lateinische Wörter und [Joachim] Langes [lateinische] Grammatik. Wir mussten die langen Geschlechtsregeln der Deklination samt den Ausnahmen nebst der beigefügten lateinischen Beispiel-Zeile lernen, ohne sie zu verstehen.« Rechnen aber wie auch Geschichte, Geographie und Naturkunde kamen in dem Lehrplan des Vaters nicht vor.
    Während Adam, dem geistige Neugier fehlte, sich dieser Tortur verweigerte und dafür verprügelt wurde, blieb Fritz, der vor dem geliebten Vater mit Lernerfolgen glänzen konnte, immer von Schlägen verschont. Seine Lernbegierde aber war so nicht zu stillen. An einer in Latein verfassten Grammatik des Griechischen lernte er für sich allein griechische Buchstaben zu schreiben, versuchte sich an lateinischen Übersetzungen und las alles, was ihm greifbar wurde,
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