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Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Das Leben des Jean Paul Friedrich Richter: Eine Biographie (German Edition)
Autoren: Günter de Bruyn
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konnte. Ich fand kaum noch Platz unter der Tür. Platner stand schon auf dem Katheder und sprach. Alles war still und aufmerksam. … Er sprach vom Genie … so freimütig und unbefangen, als wäre er in seinem Kabinette, und eben deswegen gefällt er so. … Auch sagt man, dass kein Professor in Leipzig von den Studenten so geliebt und geehrt wird als er. Als er das Katheder verließ, machten sie ihm wie einem Könige einen geräumigen Weg bis zur Tür frei.«
    Nähere Berührung mit Platner hatte Richter aber so wenig wie mit anderen Professoren, und da er weder einer studentischen Verbindung beitrat oder an Vergnügungen und Ausschweifungen teilnahm, blieb er auch unter den Kommilitonen allein. Er saß vorwiegend in seiner Stube, las, exzerpierte, schrieb Briefe und Aufsätze, so dass der Berg von Aufzeichnungen, die als Hilfe für spätere Arbeiten gedacht waren, immer mehr wuchs. In den Jahren 1778 bis 1782füllten sich 20 Hefte mit Auszügen aus Büchern und Zeitschriften, in denen er mehr und mehr vom reinen Abschreiben zu Anmerkungen, Verweisen und Stellungnahmen überging. Hinzu kamen ein »Arbeitsbuch« von 1780 und 1781, in dem neben Briefkonzepten, Französischübungen und Mathematikaufgaben auch eigne kleine Aufsätze standen, ein »Tagebuch meiner Arbeiten« mit verschiedenartigen Gedankensplittern, die Aufsatzsammlungen »Übungen im Denken« und »Rhapsodien«, der missglückte Roman »Abelard und Heloise« und seine erste größere Satire, die »Das Lob der Dummheit« hieß.
    Sein Elend aber wurde dabei immer größer und die Schulden drückender. »Wenn Sie nur wüssten, wie ungern ich daran gehe, Sie mit Geldbitten zu belästigen« , schrieb er der Mutter. »Ich will gar nicht viel, weil ich Ihren Geldmangel kenne und weiß, wie viele Unterstützung meine Brüder noch brauchen. – Ich will nicht von Ihnen Geld, um meinen Speiswirt zu bezahlen, dem ich 24 rtl. schuldig bin oder meinen Hauswirt, dem ich 10 rtl. schulde oder andere Schulden, die über 6 rtl. ausmachen – zu allen diesen Posten verlang’ ich von Ihnen kein Geld; ich will sie stehen lassen bis Michael, wo ich diese Schulden und die noch künftig zu machenden unfehlbar zu bezahlen in Stand gesetzt sein werde. – Also zu dieser großen Summe verlange ich von Ihnen keine Beihülfe – aber zu folgenden müssen Sie mir ihre Hülfe nicht abschlagen. Ich muss alle Woche die Wäscherin bezahlen, die nicht borgt, ich muss früh Milch trinken, ich muss meine Stiefel vom Schuster besohlen lassen, der ebenfalls nicht borgt, muss meinen zerrissenen Biber ausbessern lassen vom Schneider, der gar nicht borgt, muss der Aufwärterin ihren Lohn geben, die natürlich auch nicht borgt, und dies muss ich nun jetzt alles bezahlen und bis auf Michael noch weit mehr. … Ich wüsste gar nicht, was ich anfangen sollte, wenn Sie mich stecken ließen.«
    Bald wollte niemand mehr borgen, auch die Hauswirtin nicht, die jeden Morgen an die Stubentür klopfte, um böse zu fragen, ob das Geldschiff noch immer nicht angekommen sei. Vergeblich war das Betteln um Stipendien oder Freitische, vergeblich auch die Suche nach einer Stelle als Hauslehrer, da die reichen Leute nur einen Studenten annahmen, der ihnen empfohlen worden war. Aber eine Hoffnung hatte der Hungernde noch, die schon mehrfach in den Briefen an die Mutter angekündigt worden war. »Vielleicht hilft mir das Mittel, das ich im Kopf habe, zu Gelde« , hatte er schon im Dezember 1781 geschrieben.
    »Wenn nur mein Mittel anschlägt …« , hatte es im Juli des nächsten Jahres geheißen und wenig später hoffnungsvoller: »Denn das dürfen Sie nicht glauben, dass mein Mittel, Geld zu erwerben, nichts tauge, weil es noch nicht angeschlagen hat. O nein!«
    Dem Pfarrer Vogel gegenüber aber hatte Richter sein Mittel, die Misere zu beenden, schon verraten: »Ich will Bücher schreiben, um Bücher kaufen zu können; ich will das Publikum belehren, um auf der Akademie lernen zu können; ich will den Endzweck zum Mittel machen und die Pferde hinter den Wagen spannen, um aus dem bösen Hohlweg heraus zu kommen« . Zu dieser Zeit war der Student neunzehn Jahre alt.

Der steile Berg
    Den vergeblichen Versuch, allein vom Erlös der schriftstellerischen Arbeit leben zu können, hatte dreißig Jahre vor Jean Paul schon Lessing unternommen, und obwohl sich inzwischen mit der Verbesserung der allgemeinen Schulbildung die Anzahl der Leser erhöht und der Buchmarkt sich bedeutend gestärkt hatte, waren auch für
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