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Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)

Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)

Titel: Minus 0: Märchen-Thriller (German Edition)
Autoren: Robin Theis
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1. Feuertaufe
     
     
     
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    Es war der wärmste Juni, den das idyllische Hinterwäldlerparadies Blutwäldchen je erleben durfte. Spielend liefen die Kinder dem rot schimmernden Sonnenuntergang entgegen, dessen warme Strahlen durch die Kronen der Ahornbäume fielen und zwischen dem Schattennetz aufleuchtende Sonnenflecken zauberten.
    Die Dorfbewohner verließen ihre Arbeitsstellen in Richtung verdientem Feierabendbier, mit Ausnahme dieser einen Frau mit lockiger, pechschwarzer Haarpracht. Nicht einmal das Sonnennetz vermag, ihre Haare heller wirken zu lassen. Ihre männliche Begleitung ging ihr gerade mal bis zu den Schultern, obwohl sie selbst auch nicht gerade die größte Frau im Dorf war.
    Lüc war nicht ihr richtiger Name, doch die Dorfbewohner sprachen sie nur mit ihrem Spitznamen an. Sie war junge zwanzig, ein Jahr jünger als ihr Begleiter, trotzdem zollten ihr die Dorfbewohner den größtmöglichen Respekt, da sie auch so etwas wie Angst vor ihr hatten.
    Ihr Begleiter fragte sie: „Warst du bei deinem ersten Tag auch so aufgeregt?“
    Lücs rote Lippen formten ein Lächeln. „Klar war ich das. Aber du weißt, nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“
    Löckchen wurde ihr Begleiter genannt, ein kleiner farbiger Junge, der eine Aura der Gelassenheit ausstrahlte. Aufgeregt kratzte er sich an seinem frisch rasierten Kahlkopf. „An diesen Spitznamen werde ich mich noch gewöhnen müssen.“
    „Gewöhn dich dran’. Dort reden wir uns nur mit Spitznamen an.“
    Je weiter beide über den Schotterweg schritten, der als Straße in Blutwäldchen diente, desto größer wurde Löckchens Nervosität. Lange hatte er auf diesen Tag gewartet. Es hatte Jahre gedauert, bis er sich zur „Feuertaufe“ anmeldete, doch nach einer Flasche „Theison“-Schnaps fasste er sich in einem Akt der geistigen Umnachtung ein Herz. Er war nach Lüc der jüngste Bewerber und allein dieser Gedanke verursachte Übelkeit in seiner Magengegend. Er war fest überzeugt, dass er es nicht schaffen würde, aber es war die einzige Möglichkeit, in diesem Dorf die Anerkennung zu gewinnen, die er all die Zeit vergeblich suchte.
    Kurz vor ihrem Ziel begegneten die Zwei dem Dorfpfarrer „St. Angelo“, der sogar bei dieser Hitze seine schwarze Kutte trug. Mit wahnhaftem Blick schrie er: „Der Tsunami wird uns einholen! Das jüngste Gericht naht. Wir werden in der unendlichen Liebe unseren Herrn, der Sintflut, untergehen. Der Herr wird in den Wellen warten und uns umarmen!“
    Die Verschwörungstheorie posaunte St. Angelo schon seit Tagen heraus. Einerseits beunruhigte es Löckchen, andererseits musste er innerlich lachen, da wenn er die Feuertaufe vergeigte, diesen „schrecklichen Tsunami“ sowieso nicht mehr miterleben würde.
    „Der alte Nuttenpreller“, sagte Lüc. „Würde er weniger Zeit mit seinen Privatbesuchen bei den einsamen Wittfrauen verbringen, so könnte er sich mehr Gedanken um seine Messe machen, statt ständig seine kranken Gruselgeschichten zu erzählen.“
    „Stimmt es denn nicht?“, fragte Löckchen zaghaft. „St. Angelo sagte mir, alle drei Jahre würde ein Dorf untergehen und wir wären die nächsten armen Schweine.“
    „St. Angelo sagte auch seine Privatbesuche würden nur den einsamen und geschundenen Seelen dienen und nicht nur seinem reinem Vergnügen.“ Sie klopfte Löckchen mütterlich auf die Schulter. „Glaub dem alten Spinner nicht alles. Seine große Nächstenliebe gegenüber den einsamen Frauen vernebelt seinen Verstand.“
    Wenige Meter vor ihrem Ziel, dem größten Ahornbaum in Blutwäldchen, blieb Löckchen stehen und wimmerte: „Ich kann nicht!“ Sofort machte er Kehrt und drehte dem Baum den Rücken zu.
    Bevor er sich auch nur einen Meter des Baumes entfernen konnte, wurde er von Lüc aufgehalten, indem sie ihn freundschaftlich in ihre Arme schloss. „Du schaffst das schon“, bestätigte sie.
    „Die... die werden mich doch in Stücke reißen“, jammerte Löckchen, als Lüc ihn aus ihrer warmen Umarmung entließ. „Du kennst mich schon seit der Kindheit. Du weißt doch genau so gut wie ich, dass ich nicht der richtige Mann dafür bin.“
    „Da drin wirst du schon der richtige Mann sein.“
    Nach einem ermutigenden Klopfer auf den Rücken, setzte sich Löckchen wieder in Bewegung, bis er unmittelbar vor dem großen Ahornbaum stand, an dessen Rinde Holzstufen zum Baumhaus befestigt wurden. Das Baumhaus breitete sich wie eine Zitadelle über die komplette Baumkrone aus. Auf
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