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Die gestohlene Zeit

Die gestohlene Zeit

Titel: Die gestohlene Zeit
Autoren: Heike Eva Schmidt
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    Prolog
    S ie kamen. Schon von weitem konnte er das Klappern der Pferdehufe und das Klirren ihrer Waffen hören. Das Heer der Menschen ritt heran, um Similde zu befreien. Doch er würde seine Braut nicht hergeben, koste es, was es wolle! War er doch sofort in das schöne Mädchen verliebt gewesen, kaum dass er sie an einem Frühlingstag auf einer Ausfahrt der adligen Gesellschaft das erste Mal gesehen hatte. Verborgen hinter einem Felsblock, hatte er Simildes Antlitz bewundert, während sie aus dem Fenster der Kutsche sah. Und nachdem ihr ein zartes Spitzentüchlein aus der Hand gefallen war, ohne dass sie es merkte, hatte Laurin es aufgehoben und sich geschworen, er würde nicht eher aufgeben, bis er diese Schönheit besitzen würde.
    Nun war Similde sein, und niemand würde sie ihm wegnehmen. Er hatte schließlich alle List darauf verwandt, ungesehen zum Schloss ihres Vaters zu kommen, und lange im Verborgenen gewartet, um Similde in einem unbeobachteten Moment zu entführen. Als sie endlich erschienen war, hatte er das erschrockene Mädchen gepackt, auf ein vorher geraubtes Ross gesetzt und war mit ihr im gestreckten Galopp davongeprescht. Mit Hilfe seiner Zauberkräfte hatte er die Verfolger abgeschüttelt und Similde in sein Reich tief im Inneren des Berges gebracht.
    Aber die Recken, allen voran ihr Anführer Dietrich von Bern, spürten ihn auf.
     
    Laurin hob den Kopf, auf dem die goldene Krone saß, und umklammerte sein Schwert fester. Sie würden das Mädchen nicht wiederbekommen! So wahr er Laurin war, König des Zwergenvolks und Herrscher des unterirdischen Kristallpalastes, in dem sich Gold, Silber und Edelsteine häuften. Schätze, die seine Untertanen in unermüdlicher Arbeit über Jahrhunderte hinweg dem Berg abgetrotzt hatten. Das alles könnte Similde gehören. Doch das Menschenkind verschmähte alle Kostbarkeiten, genauso wie ihn. Seit einer Stunde schon weinte sie in ihrem unterirdischen Gemach und flehte, er möge ihr die Freiheit schenken. Laurin wusste, auch seine magischen Kräfte würden nicht ausreichen, um Simildes Liebe zu ihm zu entfachen. Als einzige Macht stand ihm zur Verfügung, die Schöne gefangen zu halten.
    Doch nun rückten die Getreuen ihres Vaters an, um ihm seine geraubte Braut wieder zu entreißen. Hier in seinem Palast, tief im Fels, den noch kein menschliches Auge geschaut hatte, konnten sie ihn nicht finden. Aber sie würden in seinen Garten eindringen und seine Rosen zerstören, seine geliebten Rosen.
    Alles, um Similde, deren Haut so weich und weiß war und deren rotes Haar dem Feuerglanz der Rosen bei Sonnenaufgang glich, zurückzuholen. Doch der Zwergenkönig war gewappnet. Rasch schnallte er sich den Zaubergürtel um, der ihm die Kraft von zwölf Männern verlieh. Dann griff er sich seinen größten Schatz. Kein Silberschwert und auch kein magischer Ring, sondern eine kleine, unscheinbare Kappe, die ihren Träger unsichtbar werden ließ. Laurin steckte sie vorn in sein Wams. Zu gegebener Zeit würde sie ihm gute Dienste leisten. Anschließend blies er dreimal in sein Horn, um sein Volk zusammenzurufen. Auf seinen Befehl hin öffnete sich das Felsentor zur Außenwelt, und Laurin machte sich bereit, seinen Feinden entgegenzutreten.
     
    Lange tobte der Kampf zwischen Menschen- und Zwergenvolk. Wie Blutstropfen lagen die abgerissenen Blütenblätter von Laurins Rosen auf dem felsigen Boden, und das Blut der Verwundeten, dunkelrot wie die Rosenblätter, tränkte die Steine. So erbittert die Recken auch gegen die Zwerge kämpften, ihren König bekamen sie nicht zu fassen. Zu groß war die Kraft, die der Zaubergürtel Laurin verlieh. Einen Ritter nach dem anderen traf sein unbarmherziges Schwert. Nur Dietrich von Bern gab nicht auf, und im Zweikampf gelang es ihm, Laurins magischen Gürtel zu zerbrechen. Damit war die Übermacht des Zwergenkönigs zuerst dahin, doch dann griff dieser zu seiner Tarnkappe und attackierte den Hünen von Bern nun aus dem Verborgenen. Schon bald blutete Dietrich aus mehreren Wunden, die der unsichtbare Gegner ihm beigebracht hatte. Immer blindwütiger schlug Dietrich um sich, aber sein Schwert zerteilte jedes Mal nur die Luft. Der Zwergenkönig bewegte sich behende, und seine Unsichtbarkeit verschaffte ihm stets einen Vorteil gegenüber seinem Kontrahenten. Quer durch den Rosengarten zog sich das Duell, doch mit einem Mal hielt Dietrich in seinen wilden, ungezielten Schlägen inne, und seine Augen verengten sich. Schon wähnte Laurin sich
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