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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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mir alle abhanden, alle außer Fritzi Ott, obwohl ich nicht wollte, dass sie mir abhandenkommen, weil ich manche von ihnen mochte, einige sogar sehr, aber ich war auf dem Weg zu Adam. Das war die Zeit, als alle irgendwie links waren und sich am Samstag zum Kicken und Kiffen im Ostpark trafen, Junge Union war ein Schimpfwort, es stand für Kurzhaarschnitt vom Friseur, für Pomade und Pickel, und als Kohl gewählt wurde, wollte es keiner glauben.
    Es wurden Häuser besetzt und Arbeiten über das Ende der Geschichte geschrieben, das ein paar Jahre später eintreten sollte, alle sprachen über das Waldsterben, die Startbahn West und die Erderwärmung, es würde Stürme geben, Überschwemmungen, und demnächst wäre das Öl einmal alle; jeder kannte einen, der sich vor Kurzem mit Aids angesteckt hatte, immer lief irgendwo die Rocky Horror Picture Show, Wunderkerzenkult und ein Muss an schlechtem Geschmack, im Fernsehen kamen Dallas und der Denver Clan, Fassbinder war tot und wurde neuerdings zu den Guten gezählt, und wer ihn gekannt hatte, sagte RWF, wenn er von ihm sprach.
    Adam hatte ihn nicht gekannt und fand die Rocky Horror Picture Show ätzend.
    Er sagte ätzend, wenn ihm etwas nicht gefiel, und wenn ihm etwas gefiel, sagte er geil. Geile Turnschuhe. Geile Aufhängung.
    Geile Bilder, sagte er, als wir in einer Ausstellung waren, in der sehr viel goldener Klimt hing, und alle drehten sich nach ihm um und schauten ihn sonderbar an.
    Ich sagte, geil ist Klaus Kinski.
    Ich gab ihm das Buch, das Kinski geschrieben hatte, Ich bin so wild nach deinem Erdbeermund, aber auch nachdem er das Buch gelesen hatte, sagte er weiter geil, wenn ihm etwas gefiel. Irgendwann sagte er es nicht mehr, und etwa um den Dreh fing Anatol damit an.
    Da waren wir schon in Ilmenstett. Jottwehdeh.
    Geil, sagte Anatol übermütig, als er bei unserem ersten Besuch den uralten LP 813 mit dem abgebrochenen Mercedesstern beim Bauern Holzapfel auf dem Hof entdeckte. Er war knapp vier.
    Was heißt eigentlich geil, sagte ich und war neugierig, was er sagen würde.
    Anatol sagte, besonders haltbar, und das war er allerdings, der LP 813, aber Anatol hörte irgendwann auch damit auf, geil zu sagen, und sagte stattdessen krass, weil sein Freund Bora Özyilmaz krass sagte. Magali fing gar nicht erst damit an.
     
    Als wir uns kennenlernten, war Adam noch auf Probezeit in der Lehre. Er wohnte mit seinem Bruder in der umgebauten Garage bei seinen Eltern, ging abends in die Batschkapp oder in den Elfer und hörte Die Ärzte und Ton Steine Scherben. Alle grölten mit. Macht kaputt, was euch kaputt macht. Wer das Geld hat, hat die Macht.
    Solche Sachen. Und die anderen.
    Halt dich an deiner Liebe fest.
    Die Antwort bist DU.
    Gib mir Fleisch und Blut, gib mir Sinn.
    Ich hab nix, und du hast nix, lass uns was draus machen.
    In der Batschkapp sammelte er leere Bierflaschen, vom Flaschenpfand holte er sich selbst ein Bier.
    Ich war nie in der Batschkapp oder im Elfer. Ich ging ins Café Laumer um die Ecke beim Suhrkamp Verlag, abends sehr oft in den Club Voltaire. Einmal versuchte ich es im Elfer, aber da hatte ich Schuhe mit hohen Absätzen an, und am Tresen sahen sie mich an, als hätte ich sie nicht alle. Wie sieht die denn aus. Wo Adam hinging, war ich offenbar draußen.
     
    Als ich schwanger wurde, sagte meine Mutter, mach dich nicht unglücklich.
    Adam fragte seinen Meister, ob er zur Geburt des Kindes frei haben könnte.
    Wann das sei, wollte der Meister wissen, und Adam sagte, dass man das nicht genau wissen könne. Darauf fragte der Meister, warum Adam überhaupt für die Geburt frei haben wolle, Kinderkriegen sei seines Wissens immer noch Frauensache, aber Adam wollte bei der Geburt dabei sein, und ich wollte für die Geburt nicht ins Krankenhaus, weil Kinderkriegen ja keine Krankheit ist, und all das war dem Meister nicht ganz geheuer, weil Frauen ihre Kinder im Krankenhaus zu kriegen haben, und die Männer kommen am Feierabend mit einem Blumenstrauß oder etwas vom Juwelier in die Klinik, dafür nimmt man sich nicht einen ganzen Tag frei, außerdem kriegt man seine Kinder gefälligst nicht in der Lehrzeit, Lehrjahre sind keine Herrenjahre, Adams Meister hatte seine Tochter schließlich auch erst bekommen, nachdem er vom Vater das Geschäft übernommen hatte, das heißt, natürlich hatte nicht er seine Tochter bekommen, sondern seine Frau, und zwar, wie sich das gehört, im Marienhospital, und er hätte doch nicht den Laden an dem Tag zusperren können,
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