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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Adam hatte das Radfahren ganz ohne gelernt, also würde er die beiden Stützräder einfach abmontieren, eine Klingel hatte er noch irgendwo herumliegen, abschleifen, ein bisschen Rostschutz und Lack drauf; Adam fand immer etwas Vernünftiges, das er der Vergänglichkeit entreißen und in eine Zukunft mitnehmen musste, die seiner festen Überzeugung nach dem heillosen Wahnsinn geweiht war und ein Desaster würde, weil sie uns bis dahin so weit hätten, dass wir zu blöd zum Kartoffelschälen wären und nicht mal mehr einen Knopf würden annähen können.
    Wenn Adam in seinen apokalyptischen Zukunftsvisionen schwelgte, fiel mir auf, wie jung er noch war, und es kam mir vor, als wäre ich die Erwachsene von uns beiden.
    Ich sagte, apropos Desaster. Kannst du mir mal die Dose mit dem Tomatenmark aufmachen. Der Öffner ist noch nicht erfunden, mit dem ich eine Dose aufkriegen könnte. Bin ich einfach zu blöd dafür.
    Kannst mich ruhig hopsnehmen, sagte Adam und machte die Dose auf.
     
    Als er auf dem Weg von der Arbeit eines Tages in einem Berg von Gerümpel eine Waschmaschine entdeckte, sagte er, was für ein Segen. Sieht eins a aus. Keine zwei Jahre alt. Steht da einfach so auf der Straße rum. Manche haben’s.
    Meine Waschmaschine war ziemlich alt und machte unheimliche Geräusche. Sie lief praktisch unaufhörlich, seit Anatol mit dem Laufen angefangen hatte; schon vorher hatte er das Talent, sich in kürzester Zeit unglaublich dreckig zu machen; wenn ich ihm eine Banane in die Hand gab, war er vom Kopf bis zu den Zehenspitzen mit der Banane beschäftigt und eingesaut. Meine Waschmaschine stand in der kleinen Speisekammer hinter der Küche, und aus der Speisekammer kamen in Intervallen besorgniserregende Geräusche, ein unregelmäßiges Ächzen und Poltern, das im Schleudergang schließlich umschlug in blanke Raserei; außerdem hatte die Maschine in letzter Zeit angefangen, sich ruckweise zu bewegen.
    Gibt demnächst den Geist auf, sagte Adam, als ich ihm zeigte, wie es in der Speisekammer ruckte und zuckte und raste.
    Die Kohlen sind in Ordnung, sagte er, nachdem er die Maschine auseinandergenommen hatte, es muss an der Elektronik liegen. Das kann teuer werden.
    Und jetzt findet er doch genau im richtigen Augenblick eine Eins-a-Waschmaschine, die wir auf der Stelle gebrauchen können.
    Adam sagte, manche haben’s, manche haben’s nicht, und für die ist der Sperrmüll wie geschaffen.
    Ich sagte, die Leute werden schon wissen, warum sie sie rausgeworfen haben, wahrscheinlich hat die Maschine geleckt, und sie hatten einen Wasserschaden, aber die Waschmaschine ließ Adam keine Ruhe; zum Glück hatte er kürzlich einen Handwagen gefunden, bei dem nur ein Reifen platt war, und die paar Treppen von der Haustür bis hoch in die Wohnung würden wir das Ding zu zweit schon schleppen können.
    Auch die Gartenbank ließ ihm keine Ruhe, die jemand freundlicherweise sogar noch auseinandergebaut hatte, bevor er sie vor die Tür gelegt hatte, damit Adam sie, fix und fertig zerlegt, gleich mitnehmen konnte; sonst hätte er vielleicht gar nicht bemerkt, dass das Gestell aus Gusseisen war, eine schöne Arbeit, bestimmt noch 19. Jahrhundert, bestimmt Jugendstil und bestimmt eine Menge wert.
    Ich sagte, Adam, wir haben keinen Garten für deine Jugendstil-Gartenbank, wir haben nicht einmal einen Balkon, aber Adam sagte, wer weiß, was kommt; und auch wenn ich nicht nachvollziehen konnte, wofür wir jemals eine Betonmischmaschine brauchen würden – noch vor Magalis Geburt hatten wir eine im Keller.
    Vor Magalis Geburt waren die Wohnung, Teile meines Dachbodens und mein Keller voller Kostbarkeiten, von denen Adam sagte, ein Segen, dass man so etwas auf der Straße finden kann.
    Ich sagte, was du so Segen nennst. Das kann einem leicht zum Fluch geraten, das ganze Gerümpel.
     
    In unserem Haus wohnten außer uns noch ein Werbebüro, eine Ärztin mit ihrer Tochter und ein Studienratsehepaar ohne Kinder, und alle hatten oben in meinem Stockwerk noch eine Mansarde. Die Ärztin spielte sehr oft und sehr schlecht Klavier, einmal fragte sie mich, ob ich Klavier spielen könne und womöglich Lust hätte, mit ihr vierhändig zu spielen. Ich hatte keine Lust. Klavierspielen war das Einzige, was meine Mutter an Handarbeit ertrug, und nacheinander bekamen ihre drei Töchter ein paar Jahre lang Unterricht und mussten vierhändig mit ihr spielen, sich den Fingersatz erklären lassen, den Anschlag, die Handhaltung und das Wesen von Musik,
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