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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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kürzlich runtergefallen und aus dem Leim gegangen war. Ob Adam so freundlich wäre, sich den mal anzuschauen. Adam war so freundlich, und als der teure Rahmen mitsamt dem Aquarell dann wieder an der Wand hing, sagte meine Mutter zu mir den Satz, der die ganzen Jahre gesessen hat und bis heute sitzt.
    Das können sie, solche Leute.
    Sie sagte das leichthin, als wäre Adam gar nicht im Raum.
    Ich dachte, Adam würde ihr an die Gurgel gehen. Vielleicht hoffte ich, dass er ihr an die Gurgel gehen würde, aber er blieb ganz ruhig.
    Das will ich doch meinen, sagte er.
    Mir wurde erst vor Scham und dann vor Wut glühend heiß, aber dann sah ich, wie gelassen Adam zwischen den geschmackvollen Kirschholzmöbeln meiner Mutter in diesem hellen, großen Zimmer stand, das für ihn eine fremde Welt sein musste, und sich von einer wildfremden Frau beleidigen ließ, der er nichts weiter getan hatte, als ihr freundlicherweise einen Bilderrahmen wieder ganz zu machen. Diese Frau hatte ihm soeben zu verstehen gegeben, dass sie ihm niemals eine Chance geben, sondern alles daransetzen würde, ihre Tochter von ihm wegzugraulen, weil solche Leute wie Adam Czupek für sie nicht infrage kamen.
    Bevor man einen Fluch ausspricht, muss man sich innerlich von glühend heiß bis auf null abgekühlt haben; ich wartete, bis ich weit unter null und innerlich ganz vereist war. Dann sagte ich, du wirst noch staunen, was solche Leute alles können. Ich sagte es ganz leise, aber sie hörten es alle drei.
    Damit war ich noch nicht draußen, aber auf dem besten Weg dahin. Auf dem Weg zu Adam.
    Meine Eltern hatten noch von früher her alles von Bertolt Brecht und dachten, dass Brecht zur Bildung und Kultur gehört und sie ihn deshalb gut finden müssten, nicht so gut natürlich wie die Festspiele in Bayreuth, zu denen sie jedes Jahr fuhren, aber immerhin doch ganz gut, weil er damals noch zur Kultur gehörte, und als ich den Tisch fürs Kaffeetrinken deckte, fing ich an, die Ballade von der Hanna Cash zu summen. Sie kamen sich näher zwischen Wild und Fisch, sie gingen vereint durchs Leben, sie hatten kein Bett, und sie hatten keinen Tisch; ich sang den Text nicht mit, sondern summte nur die Melodie, aber meine Eltern kannten die Ballade natürlich, es blieb die Hanna Cash, mein Kind, bei ihrem lieben Mann; und meine Eltern hörten, dass ich so frei sein würde, mir Adam mitsamt dem Dreck an seinen Händen von ihnen nicht austreiben zu lassen, auch wenn das Leben möglicherweise schwer und gefährlich würde, und es ist ganz entschieden etwas anderes, die Ballade gut zu finden, solange sie vom Plattenspieler kommt und Kultur ist, Lotte Lenia singt Bertolt Brecht, aber wenn die eigene Tochter einem solche Leute wie Adam Czupek ins Haus schleppt, merkt man, dass Kultur etwas anderes ist als das wirkliche Leben, in dem ein künftiger Schwiegersohn bitte im Besitz von Tisch, Bett und Bausparvertrag sein und darüber hinaus nach Rasierwasser duftend, mit sauberen Fingernägeln und in Anzug und Krawatte zur Vorstellung erscheinen sollte, familiär gut gepolstert und mit Vitamin B versorgt.
     
    Adam sagt, das fing in den Achtzigern an, die Verdummung, Ende der Siebziger haben wir all das gewusst, was inzwischen läuft, das ganze Elendsprogramm; tote Erde, wohltätige Speisung der Armen, an den Tropf mit den Alten und Armen, und heute tut die Welt, als wäre sie überrascht, gerade so, als hätte man Ende der Siebziger nicht gewusst, dass es den Bach runtergehen würde.
    So gesehen, hat er natürlich recht, dass das viele Sprechen nichts gebracht hat, es geht ums Verhungern, Erfrieren, Gewalt und obszönes Dada; Adam jedenfalls hat, noch bevor er zwanzig war, gewusst, dass es den Bach runterrauschen würde, aber vielleicht hing das damit zusammen, dass er schon draußen gewesen war, als die meisten noch dachten, wer draußen ist, ist selber schuld.
    Von draußen sieht man manches klarer, als wenn man drinnen ist, wo man die Welt schön nacheinander erst von den Teletubbies, dann von der Maus und schließlich vom Morgenmagazin erklärt bekommt, und Adam war wirklich draußen. Den haben sie gar nicht erst zum Bund eingezogen, nicht einmal gemustert.
    Ich jedenfalls war frischgebackene Linguistin und würde Logopädin werden, und wenn ich nicht an Sprache geglaubt hätte, hätte ich meinen Beruf gleich an den Nagel hängen können, bevor er noch richtig angefangen hatte.
     
    Ich kannte zu der Zeit eine Menge Leute, die gut gepolstert waren, und nach und nach kamen
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