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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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bloß weil seine Frau ein Kind bekam.
    Am Ende setzte Adam durch, dass er einen Tag beweglichen Urlaub haben könnte, es war eine zähe und ungute Verhandlung. Danach fing er an, Schrauben, Nägel und Dübel aus dem Betrieb mitgehen zu lassen, weil er sagte, nach dem Theater mit dem Sonderurlaub wird der Meister mich nicht übernehmen, egal, wie die Prüfung ausfällt, und als der Meister eines Abends jemanden brauchte, der bei ihm zu Hause den Dachboden aufräumen würde, sagte Adam, dass er das gerne machen würde; an dem Abend klaute er zur Sicherheit ein paar Dutzend Zwingen und Stecheisen, eine uralte Nähmaschine mit Pedal und eine Stichsäge mitsamt einer Unmenge Sägeblätter.
    Der weiß sowieso nicht, was er auf seinem Dachboden rumliegen hat, sagte er, als ich andeutete, dass es nicht legal sei, Gegenstände an sich zu nehmen, die seinem Meister gehörten.
    Als er mit dem Generator ankam, war Anatol schon auf der Welt, und heute wissen wir beide nicht mehr, ob der Generator eine Betriebsbeute war oder von einer städtischen Baustelle stammt.
     

    Die Leute, die ich kannte, bekamen keine Kinder, oder sie bekamen ihre Kinder erst später, nachdem sie ihre Leben mit Vitamin B ausgepolstert hatten und wir uns nicht mehr kannten.
    Zu Anatols Geburt schenkte mein Vater mir ein elektrisches Waffeleisen mit Teflonbeschichtung. Bei der Gelegenheit stellte er fest, dass meine Wohnung zu klein war.
    Warum suchst du dir keine größere, sagte er.
    Seinem Enkel schenkte er ein Blatt Büttenpapier, auf dem stand, dass er ihm jedes Jahr zum Geburtstag eine Aktie seiner Firma kaufen würde, und von den Renditen dieser Aktien würde er ihm wieder Aktien kaufen, sodass Anatol, wenn er achtzehn würde, eine gepolsterte Zukunft vor sich hätte; Magali bekam keinen solchen Zettel zur Geburt, da war mein Vater schon abgehauen, und als Anatol achtzehn wurde, wussten wir schon lange nicht mehr, wo er war. Kann sein, er spielte irgendwo im Süden Golf, in Spanien oder Portugal oder sonst wo, kann genauso gut sein, er war inzwischen gestorben. Die Firma, in der er früher mal den Big Boss gespielt hatte, gab es schon längst nicht mehr; die war unterwegs von irgendeinem Konzern gefressen worden, Agropharma, der über Anatols Zettel nur lachen würde.
    So viel zur Zukunft, sagte Adam, als ich mit dem Papier ankam. Die Zukunft, das war gestern.
    Bütten, sagte Anatol. Damit kann man sich nicht mal den Hintern abwischen.
    Was heißt hier Bütten, sagte Adam, ich nenn das eher Blüten.
    Als Anatol achtzehn wurde, waren wir alle längst draußen; wir lebten mit Fritzi, Massimo und den Kindern in Ilmenstett, das neue Jahrhundert war angebrochen, eine Menge Papier hatte sich als Blüten erwiesen; in der Welt tobte das blanke Desaster, und keiner hatte eine Ahnung, wie man es stoppen könnte, deshalb taten alle, als wäre es einfach nicht da. Aus unserer Streuobstwiese, auf der Adam aus Spaß und zum Zeitvertreib Mitte der Neunzigerjahre mit den Kindern die erste Jurte gebaut hatte, war längst das erste Basislager geworden, Triple-A, Asis, Alte, Arme, es ging um Essen, Klamotten, Dach überm Kopf, und nur Fritzi und ich hatten pro forma noch ein Konto. Trotzdem gab es mir einen Stich, als ich an Anatols achtzehntem Geburtstag das alte Blatt Büttenpapier aus der Schublade holte, in der ich es die ganzen Jahre liegen gehabt hatte. Unwillkürlich sah ich meinen Vater vor mir, wie ich ihn zum letzten Mal gesehen hatte. Da hatte er Anatol auf dem Arm gehabt. Anatol hatte ein Bäuerchen gemacht und ihm aufs Jackett gespuckt, und er hatte sich geekelt.
    Anatol kann sich nicht mehr an seine Großeltern erinnern. Trotzdem hat er den wertlosen Zettel bis heute nicht weggeworfen.
     
    Adam machte für die Prüfung eine Wickelkommode und wurde danach, wie er es sich gedacht hatte, nicht in den Betrieb übernommen, weil es dem Meister nicht passte, dass er so jung schon unverheiratet ein Kind bekommen hatte, und das auch noch mit einer Frau, die viel älter war als er und außerdem noch studiert.
    Die Leute, die ich kannte, waren alle irgendwie links, aber sie wussten, wann sie sich mit sauberen Fingernägeln bei ihren künftigen Schwiegereltern und Arbeitgebern vorzustellen hatten und dass es eine Sache ist, an der Uni irgendwie links zu sein, weil an der Uni die Professoren alle links waren, aber die Uni war schließlich nicht das wirkliche Leben, und Professoren sind bekanntlich nicht so ganz von dieser Welt. Die fängt anschließend an.
    Adam
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