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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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längst tot und vergessen war.
    Auch der Bauer Holzapfel war empört, als er hörte, dass Anatol hyperaktiv sein sollte.
    Waches Kind hat man früher dazu gesagt, sagte er, und zu Anatol gewandt, da machen wir uns gar nichts draus.
     
    Während Bora, Anatol und Magali in die Schule gingen und dort ihre Zeit absaßen, Dienst nach Vorschrift, waren etliche von Boras Cousins und Cousinen längst draußen und wussten nicht, wohin mit sich. Adam war immer schon draußen gewesen, und von draußen sieht man manches klarer.
    Demnächst wird es massenhaft Leute geben, die draußen sind, sagte er, wenn die Cousins und Cousinen auf unserer Streuobstwiese in der nagelneuen Jurte herumhingen und am liebsten über Nacht geblieben wären. Assis, Alte, Arme, die die Hand aufhalten müssten für ein paar Groschen, die frieren würden und ihren Hunger zu wohltätigen Tafeln tragen würden im allgemeinen obszönen Dada der Gewalt, das Adams Mutter nicht ertragen hatte, an dem Adams Mutter aktenkundig durchgeknallt war, weil man daran durchknallen musste, die Krätze kriegen oder sonst was, Adam hatte immer verstanden, dass seine Mutter daran durchgeknallt war. Tut keiner Fliege was zuleide, aber man läuft nun mal nicht im Nachthemd auf die Straße. Findet sich immer jemand, der die Bullen ruft.
     
    Adam sprach eines Abends mit mir und später dann mit Fritzi und Massimo über das, was er vorhatte. Er muss die Idee jahrelang mit sich herumgetragen haben. Den Bauern Holzapfel brauchte er nicht zu überzeugen, Holzapfel wusste, was ein Traum ist, auf seine sechseinhalb Hektar konnten wir zählen.
    Die Özyilmaz wussten ebenfalls etwas, dass nämlich Bora von Herrn Leienbecker wohl kaum eine Empfehlung fürs Gymnasium erhalten würde.
    Den Ingenieur kann er sich knicken, sagte Herr Özyilmaz, als wir bei ihnen im Imbiss saßen, Tee tranken und die Einzelheiten durchgingen.
    Den Ausdruck haben Sie nicht von mir, sagte Adam und musste lachen.
    Als ich ins Gartencenter Wegener fuhr, um mit Stephan und seinen Eltern zu sprechen, hatte ich das silberne Kettchen mit der kleinen Rasierklinge an, das Stephan mir geschenkt hatte. Er machte inzwischen eine Gärtnerlehre bei seinen Eltern, und ich bin sicher, Adam hätte die Wegeners im Handumdrehen gewonnen und mitgenommen, aber so dauerte es eine Weile, und nachdem wir uns fast eine Stunde an die Sache herangeredet hatten, kam Frau Wegener mit dem Obi-Markt heraus.
    Wenn der sich bei uns im Gewerbegebiet breitmacht, sagte sie, dann gute Nacht.
    Stephan sagte, dem Huber hat der Kamps das Messer an den Hals gesetzt.
     
    Da gibt’s noch mehrere, denen sie demnächst das Fell über die Löffel ziehen, sagte Frau Wegener.
    Ich mochte nicht fragen, wer »sie« seien, aber langsam bekam ich das Gefühl, dass Adam recht hatte.
     
    In Ilmenstett waren wir ein paar Jahre lang so etwas wie Öko-Spinner oder Hinterwäldler. In welchem Jahrhundert leben wir denn.
    Stephan Wegener hatte seine ehemalige Lehrerin, Frau Fuchs, mit ins Boot geholt, die längst pensioniert war und sich gern um den Unterricht kümmern würde, zu Hause fiel ihr sowieso nur die Decke auf den Kopf. Frau Grosser nutzte ein paar Kontakte aus ihrer Springturnierzeit und kaufte eine Mecklenburger und eine Schwarzwälder Kaltblutstute.
    Gestern wird zu morgen, hatten die Scherben gesungen, Adam nahm die Kutsche in Betrieb und fing an, alles aufzutreiben und zu sammeln, was es in zwanzig Jahren nicht mehr geben würde, wenn die Welt steril geworden wäre, Roundup Ready, Ende der Fahnenstange, steril, verkrüppelt. Nass gerupft. Tiefgekühlt.
    Bora fuhr mit seinem Vater und einem älteren Cousin in den folgenden Sommerferien mit Holzapfels altem LP 813 nach Afyon, später fuhr Magali nach Afyon, geil, so ein LP 813. Sie brachten eine Menge Filz mit und nützliche Tipps und Tricks. Wir kauften Schafe und Ziegen. Wir fingen an umzugraben. Frau Özyilmaz baute violette und orangefarbene Auberginen an. Bohnen. Gurken. Kartoffeln. Korn.
    Etliche Maler der Transavanguardia und einige Käufer der Transavanguardia stiegen mit ein und brachten uns Samen, von denen Frau Wegener in ihrem Gartencenter nur hatte träumen können.
    Die Piennolo-Tomate, sagte sie, die Corbarino, kaum zu glauben. Die Corbarino schmeckt besser als alle Tomaten auf der Welt. Dass es die überhaupt noch gibt. Da bauen sie den Geschmack längst synthetisch nach.
    Ilmenstett amüsierte sich eine Weile lang prächtig über das Durcheinander, das bei den Gutmenschen auf der
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