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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Fritzi.
    Adam sagte, Zinsen gibt’s keine. Nur eine kleine Gebühr. Eine sehr kleine Gebühr.
    Er dachte an seinen Vater, der bei der Bundesbank modrige Scheine und Blüten gezählt hatte, und sagte, das wird den Banken nicht so sehr gut gefallen.
    Der Steuer auch nicht, sagte Massimo.
    Na dann, prost auf euer Hawala, sagte Fritzi. Wir stießen auf den illegalen Geldtransfer nach Afyon an, aber Fritzi glaubte nicht, dass das mit dem Vertrauen wirklich funktionieren würde. Vielleicht im Märchen. In Tausendundeiner Nacht. Nicht hier im Abendland.
    Ein paar Tage später sah sie es mit eigenen Augen.
    Der Schwager in Afyon schickte seinen Verwandten in Deutschland per LKW-Zuladung den Filz für Adams Jurte, und Herr Özyilmaz brachte ihn uns vorbei.
    Wir hatten das älteste Untergrundbankwesen der Welt kennengelernt.
     
    So wie es aussieht, sagte Adam zu Bora, als die dicken Filzlagen auf der Sommerwiese ihm endgültig klarmachten, dass das Unterfangen Jurte womöglich seine und die Kräfte der beiden Kinder übersteigen würde, selbst wenn Holzapfel, Massimo und Herr Özyilmaz sich daran gelegentlich beteiligten, so wie es aussieht, können wir noch ein paar Leute und Hände gebrauchen. Allein kriegen wir vier die Jurte wahrscheinlich nicht aufgebaut.
    Das ließ Bora sich nicht zweimal sagen, und von da an trudelten im Laufe der Vormittage erst ein paar und schließlich jede Menge Cousins und Cousinen ein, der Gettoblaster lief den ganzen Tag, die Hosen der Jungen hingen in den Kniekehlen, Anatol brauchte dringend eine Baseballkappe, um sie sich umgedreht auf den Kopf zu setzen, und nachdem sie aus dem Urlaub zurück waren, machten die Wegener- und die Grosserjungen auch noch mit.
    Holzapfel sah sich die Aktivitäten an.
    Jede Menge los bei euch, sagte er anerkennend.
    Frau Özyilmaz übernahm die Verpflegung.
    Am Ende der Sommerferien stand das Ding, und das hätte es dann gewesen sein können.
    War es aber nicht.
     

    Anatols erster Schultag war ein Flop, und was danach kam, war auch nicht besser.
    Das Einzige, was ihm gefiel, war der kleine Kompass, den Adam in die Schultüte gepackt hatte, der große Rest dieses und der folgenden Tage war die blanke Enttäuschung.
    Bebi, sagte Anatol. Wenn er zornig war, wurden seine Augen so dunkel wie die seines Vaters.
    Sie hatten ein Kinderlied gesungen, ein Klassentier erraten und anschließend zeichnen müssen.
    Was wohl für ein Tier, sagte Anatol empört, wenn’s einen langen Hals hat.
    Von Schreiben und Lesen war nicht die Rede gewesen, und dann hatte die Lehrerin die Kinder gefragt, wer bis zehn zählen und ob jemand die Uhr schon könnte.
    Bebi, sagte Magali erschüttert.
     
    Als Magali schließlich eingeschult wurde, machte sie sich keine Illusionen mehr.
    Also dann, sagte sie seufzend, band sich die Schuhe zu, von denen sie längst wusste, dass man nicht ohne in die Schule darf, setzte den Schulranzen auf, den ihr eine von Boras Cousinen vererbt hatte, und verabschiedete sich von den Katzen, Hühnern, Schafen und Ziegen, als würde sie sie nie mehr wiedersehen.
    Als Magali eingeschult wurde, war die Welt längst mittendrin im Tittytainmentprogramm. Fritzi und ich bekamen es mit allerlei neuen Volkskrankheiten zu tun, es waren die Hyperjahre, die Hypermacken, die Jahre der Hyperevents, ein Hype jagte den nächsten bis zur Bewusstlosigkeit, und als Anatols Klassenlehrerin Adam und mich in die Schule bestellte, um uns zu sagen, dass Anatol ihrer Ansicht nach hyperaktiv sei, sagte Adam, so nennt man das jetzt.
    Ich sagte, das nennt man jetzt ADS. Kannst du Fritzi fragen.
    Adam sagte, das Kind ist einfach nicht ausgelastet. Ein Kind, das mit fünf das Zehnersystem kapiert hat, hält es im Kopf doch nicht aus, wenn es mit sechs in die Schule kommt und plötzlich zweihundert Stunden lang lernen soll, nur noch bis zwanzig zu rechnen.
    Da geht’s nicht ums Zehnersystem oder Rechnen bis zwanzig, sagte Fritzi, als Adam ihr von Anatols ADS erzählte. Da geht’s um etliche Millionen.
    Fritzi hatte die neuen Krankheiten satt, mit denen sie es zu tun bekommen hatte, sie hatte die Vertreter satt, die sie mit Müsterchen, Geschenken und Essenseinladungen traktierten, um ihr all die Benzodiazepine, das Risperidon und das Lorazepam anzudrehen, das bei Adams Mutter noch Mandrax geheißen hatte, Fritzi wollte das nicht, all das Prozac, Fluctin, Ritalin. Fritzi hatte Sehnsucht nach Foucault, den sie nächtelang während des Studiums in ihrem Taxi gelesen hatte und der inzwischen
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