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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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Streuobstwiese ausbrach, über die Jurten, die ersten Versuche mit der Schnapsbrennerei, die Bienenzucht, die Kaninchen, den Ziegenkäse, die Schmiede, die alte Nähmaschine mit dem Pedal daran, weil uns etliches danebenging, aber irgendwann hatten wir den Dreh raus, und danach hagelte es den Ärger, mit dem Adam gerechnet hatte, weil sich immer jemand findet, der die Bullen ruft.
    Schwarzarbeit, Kinderarbeit, was weiß ich. Keine Zulassung. Keine Lizenz. Die Kanalisation. Die Europanorm. Der Sortenkatalog. Die Hygiene. Die Sicherheit. Wenn das alle so machen würden.
    Deutschland immer Papiere, sagte Herr Özyilmaz. Europa immer Papiere.
    Aber da war der Virus schon in der Welt und nicht mehr zu stoppen. Boras Cousins und Cousinen waren nur der Anfang, nach und nach zerstreuten sie sich, hielten Kontakt miteinander, mit Afyon und mit Massimo Centofante.
    Massimo war ein sehr guter Virenschreiber, ein großer Sammler und Streuer, die Galerie am Marktplatz wurde zur Anlaufstelle für Leute, die nichts zu verkaufen hatten. Wir hatten auch nichts zu verkaufen, aber alle Köpfe und Hände voll zu tun.
    Wir kamen nicht mehr oft dazu, bei Fritzi und Massimo oben in den Fernseher zu schauen und zu verfolgen, wie der Dax nach oben kletterte, Krieg dem Terror, dasselbe in Schwarz-Rot-Grün oder Gelb-Blau-Braun, Hauptsache, mehr vom selben.
    Wir waren draußen, und nachdem das neue Jahrhundert angebrochen war, wurden es immer mehr, die rausflogen und draußen waren, Dreher, Hebammen, Schneiderinnen, so geht Monopoly. Ob Wasserwerk oder Südbahnhof, der Gewinner kriegt alles, und der Rest geht nicht über Los, sondern gleich zum Amt. An den Tropf damit, und dann drehen wir denen den Tropf mal schön langsam zu. Nachdem das neue Jahrhundert angebrochen war und die Welt am Tropf hing und im künstlichen Koma lag, so ein Spiel ist das, das in der neuen Zeit gespielt wird, nachdem die Türme zusammengekracht, die Blase geplatzt und die letzten Kriege erklärt, nachdem die Kröten geschluckt und unter Applaus vor den Glotzen die Würmer gefressen waren, ging in Ilmenstett das Abenteuer in die nächste Runde.
     
    In Guntersbach stand der Bauernhof Ebeling kurz vor dem Verkauf.
    Uns steht das Wasser bis zum Hals, sagte Frau Ebeling, neun Hektar Grünland, zwei Hektar Acker und zehn Hektar Wald. Davon kann man heute nicht leben. Nicht mit drei Kindern. Kann man verhungern dran.
    Das lässt sich ändern, sagte Adam.
    Das Wasser stand etlichen Bauern bis zum Hals, aus vielen Äckern, Feldern, Wiesen und Wäldern würden bald tote Böden. Roundup Ready. Gift in Raten.
    Da kannst du die Flasche auch gleich an den Hals setzen, dann hast du’s wenigstens schnell hinter dich gebracht, sagte Adam.
    Massimo knüpfte Netze nach Frankreich, nach England, nach Indien, ihr werdet euch noch wundern, was solche Leute können, Leute mit Kopf und Hand, dachte ich, wenn wieder irgendwo ein Basislager entstand, wenn sich wieder ein paar vom Tropf, von der Tafel, vom Strick um den Hals losmachten, ich bin nicht faul, ich bin nicht dumm, etwas Mühe und Ärger wirft mich nicht um, und natürlich war es ziemliche Mühe und gab es massenhaft Ärger, wo kämen wir hin, wenn jeder sein Streuobst, sein Saatgut, seinen Samen und das, was er nach der ganzen Verblödung noch weiß, das Menschenwissen aus zehntausend Jahren kann doch nicht einfach verschwunden sein, aber wo kämen wir hin, wenn wir das einfach so weitergäben. So wie der Bauer Holzapfel. So wie Adam Czupek. Nur zum Beispiel.
    Geschenkt. Getauscht.
    Und wenn das aufginge?

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