Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
Vom Netzwerk:
gehörte zu den Leuten, die nach Holz, Metall und Arbeit riechen und an die die Flugblätter verteilt wurden. Die Leute, die ich kannte, waren eher diejenigen, die sie verteilten. Das ist ein Unterschied. Das war auch damals schon der entscheidende Unterschied, und es bleibt die Hanna Cash, mein Kind, bei ihrem lieben Mann. Deshalb kamen mir mit der Zeit die Leute, die ich gekannt hatte, allmählich alle abhanden. Bis auf Fritzi natürlich, aber das ist eine andere Geschichte.
     
    Als Adam zu mir zog, hatte ich das Gefühl, wir müssten uns ein bisschen zusammenfalten, weil meine Wohnung schon ohne Adam und Anatol tatsächlich sehr klein gewesen war, und durch einen Mann und ein Kind wurde sie nicht gerade größer.
    Adam arbeitete für eine Zeitarbeitsfirma als Springer und nebenbei schwarz. Zu Hause las er mein Bücherregal einmal quer durch, jedenfalls die Romane; nachts schlief er unruhig und träumte von dem, was er gelesen hatte.
    Ich Rogoshin, sagte er im Schlaf, nachdem er Dostojewski gelesen hatte, und ich fand es einleuchtend, dass ihm nicht der blonde Idiot, sondern ausgerechnet der dunkle Rogoshin zu schaffen machte, der ganze dunkle Dostojewski.
     
    In meiner Wohnung gab es, außer dass sie klein war, ein paar Schwachstellen. Kurz nachdem Adam eingezogen war, war im Badezimmer der Ausguss verstopft. Außerdem tropfte der Hahn.
    Ich sagte, dann wollen wir mal einen Handwerker rufen, bevor das Waschbecken überläuft.
    Adam sah mich an, als käme ich vom Mond.
    Was für einen Handwerker, sagte er vorsichtig.
    Ich sagte, na, einen Klempner.
    Adam war erschüttert.
    Hast du einen Eimer im Haus, sagte er dann, und nachdem er den Siphon ab- und schließlich wieder angeschraubt und die Dichtung gewechselt hatte, hielt er die Hand auf und sagte, macht plus An- und Abfahrt, Notfallpauschale, Wochenendzuschlag hundertsiebzehn fuffzig.
     
    Ich hatte nicht gewusst, was eine Gummidichtung ist oder dass man den Siphon an- und abschrauben konnte; ich hatte genau genommen überhaupt nicht gewusst, dass ein Siphon unter dem Waschbecken war, und kannte das Wort eher im Zusammenhang mit dem Cocktailshaker, den meine Eltern sich gekauft hatten, nachdem mein Vater aufgehört hatte, Bier oder Cola-Cognac zu trinken, und sich stattdessen Old-Fashioneds und Manhattans mixte.
    Mein Vater bringt keinen Nagel in die Wand, sagte ich, um meine Bildungslücke zu erklären und mich zu verteidigen.
    Adam sagte, und was macht er, wenn er was aufhängen will.
    Mein Vater kriegt auch keine Schuhe geputzt, sagte ich kleinlaut.
    Bei uns wurde eigentlich nichts selbst gemacht.
    Meine Mutter hasste Handarbeit, ob das Kochen, Abwaschen oder Bügeln war, sie war dafür nicht geeignet, wofür gibt es Personal. Mein Vater hasste Handarbeit mindestens ebenso und hätte sich die Hände lieber abhacken lassen, als damit einen Getränkekasten aus dem Keller zu holen oder einen Fahrradreifen zu flicken.
    Als wir Kinder waren, bekam er gelegentlich einen väterlichen Anfall, weil meine Mutter beim Arzt im Wartezimmer Zeitschriften las, in denen stand, dass Väter gelegentlich etwas mit ihren Kindern unternehmen sollten. Außer dass er in seiner Firma und vor seinen Kindern den Big Boss markierte und wir alle Angst hatten, sobald er seine Brille abnahm und sie umständlich putzte, dann sagte er, ihr wollt mich wohl für blöd verkaufen, wer denkt ihr eigentlich, dass ihr seid, ihr werdet euch noch wundern; außer dass er den Big Boss markierte und uns das Wundern lehrte, bis wir nicht mehr wussten, wer wir waren, hatte er eigentlich nicht viel mit seinen Kindern zu tun, aber von Zeit zu Zeit las meine Mutter eben im Wartezimmer diese Zeitschriften und wollte am Wochenende die ganze Familie mal aus dem Haus haben, um sich in Ruhe die Fingernägel machen lassen zu können oder eine Fangopackung oder sonst was, und dann schickte mein Vater uns mit einem Einkaufszettel in den Papierwarenladen oder ins Bastelgeschäft, wir holten Drachen- und Krepppapier und was er sonst noch brauchte, und hinterher baute er einen Drachen.
    Nehmt bloß die Finger weg, sagte er, wenn eine von uns dreien mit anfassen wollte, hier muss ein Fachmann ran. Zum Drachenbauen braucht man Grips und Verstand und genaueste Berechnung, Höhe auf Breite fünfzehn zu achtzehn, das ist kein Kinderspiel. Wir sahen ihm zu und ahnten, dass es übel ausgehen würde, weil mein Vater für Handarbeit nicht gemacht war.
    Wenn wir Glück hatten, durften wir die Kreppschleifchen für den
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher