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Das laesst sich aendern

Das laesst sich aendern

Titel: Das laesst sich aendern
Autoren: Birgit Vanderbeke
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frühkindlicher Förderprogramme vertrieb, und ihr Mann war sowieso der Meinung, dass sich eine Mutter in den ersten Jahren ausschließlich ihrem Kind und der gedeihlichen Entwicklung des Kindes widmen sollte; er saß damals noch nicht im Vorstand seiner Versicherung und war zu der Zeit noch irgendwie halbwegs links, weil alle irgendwie links waren, und dass er bei einer Versicherung arbeitete, war ihm vor uns manchmal etwas peinlich. Wenn wir uns trafen, sagte er zu Adam, na, was macht der Job, und dann erzählte er von sich und seinem Job, der aber kein Job war, sondern eine handfeste Karriere. Nach meiner Arbeit fragte er nicht, weil ich ja zwei kleine Kinder hatte. Er jedenfalls hätte nicht gewollt, dass seine Frau arbeiten ginge. In Wirklichkeit wollte er weder von Adam noch von mir etwas wissen. Einmal erzählte ich von Dr. Zach, einem Patienten aus dem Nachbarhaus, der nach einem Schlaganfall wieder zu Hause war, Halbseitenlähmung, Aphasie, schwerste Schluck- und Gedächtnisstörungen. Der alte Mann war Geiger gewesen, und an Sommerabenden, wenn er das Fenster aufhatte, hatte ich ihn oft spielen gehört.
    Fehlt mir richtig, diese Geige, sagte ich.
    Meine Schwester und ihr Mann räusperten sich; sie wollten weder von Dr. Zachs Geigenspiel noch von seiner Angst etwas wissen, sondern möglichst zügig ihre Zukunft weiter auspolstern, und dazu waren wir nicht die richtigen Leute, weil wir kein Vitamin B für eine Versicherungslaufbahn hatten; wir sahen die beiden nur selten.
    Meine älteste Schwester jedenfalls, das war meiner Mutter klar, würde sich nicht um sie kümmern wollen, weil sie sich um die Karriere ihres Mannes kümmerte, hinter jedem erfolgreichen Mann steht eine starke Frau, und meine andere Schwester fing gerade ihren alternativen Dritte-Welt-Textilhandel an, nachdem sie ihre indische Phase hinter sich und mit ein bisschen Vitamin B von meinem Vater die Kurve gerade noch eben gekriegt hatte. Sie saß inzwischen die meiste Zeit im Flugzeug und pendelte zwischen Deutschland und Indien oder Brasilien hin und her; bei ihr ging es um Anbau, Einkauf, Färbereien, PR, das Fair-Trade-Siegel und die Frage der Kinderarbeit, soll man, soll man nicht, später dann ging es um Life Science, die Kapselraupe und um Roundup Ready, um Effizienz und den Agromarkt.
    Mit ihr hatte meine Mutter also auch nicht zu rechnen, und da witterte sie ihre Chance, als mir die Wohnung gekündigt wurde.
    Am besten wird es sein, du ziehst mit den Kindern zu mir, sagte sie, als ich ihr erzählte, dass wir demnächst vor die Tür gesetzt würden.
    Von Adam sprach sie nicht.
     
    Sonderbarerweise war Adam nicht so entsetzt wie ich, als ich ihm davon erzählte, dass meine Mutter mir angeboten hatte, mit den Kindern bei ihr zu wohnen.
    Platz hat sie ja, sagte er, und ich überlegte, ob ich ihm sagen sollte, dass sie ihn in ihrem Angebot nicht mitgemeint hatte, weil er zu einer anderen Welt gehörte und solche Leute wäre, die in die Welt und Wohngegend meiner Mutter wohl kaum passen würden, wenn sie schon in ein Mietshaus nicht passten, in dem eine Ärztin und Studienräte wohnten, die immerhin irgendwie links waren und Adam nicht gut ins Gesicht sagen konnten, dass es ihnen nicht recht war, wenn er im Blaumann von der Arbeit kam und im Treppenhaus die Ton Steine Scherben pfiff. Ich bin nicht faul, und ich bin nicht dumm, etwas Ärger und Mühe wirft mich nicht um.
    Platz hat sie, sagte ich, aber ich fürchte, zwischen dir und ihr wird es nicht klappen.
    Adam sagte, du kennst sie besser als ich.
    Und dabei wollen wir es nach Möglichkeit auch belassen, sagte ich.
     
    Bei der Wohungssuche ist man durchschlagend erfolglos, wenn man mit einem dreijährigen Anatol im Buggy und einer winzigen Magali im Tragetuch zur Besichtigung erscheint, an Adams Händen war der Dreck festgewachsen und mit Seife nicht abzukriegen, und am Ende wäre es fast darauf hinausgelaufen, dass wir zu meiner Mutter hätten ziehen müssen, aber kurz bevor es fast darauf hinausgelaufen wäre, schickte uns der Himmel meine Freundin Fritzi, die ich vor ein paar Jahren aus den Augen verloren hatte und von der ich dachte, sie sei in Paris.
    Ich hatte Fritzi in einer Arbeitsgruppe kennengelernt, in die sie nur so aus Interesse gegangen war und ich eigentlich auch, weil mich Robert Walser beschäftigte; ich ging manchmal in Seminare über Schriftsteller, die ich mochte, auch wenn ich die Scheine gar nicht brauchte, Fritzi brauchte sie auch nicht, weil sie Psychologie
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